Familienbetrieb: Conditorei, Cafe Bösewetter

Handwerksbetriebe in unseren Ortschaften

Conditorei und Café Bösewetter

Auf mehr als 100 Jahre im Besitz einer Familie, wie es z.B. bei der Klempnerei Mai oder beim Gärtnerhof Grüna war, kann André Bösewetter als heutiger Besitzer nicht verweisen, aber ein Familienbetrieb der Bösewetters ist es mit einer Unterbrechung seit fast 60 Jahren. Doch schon Anfang des 20. Jahrhunderts befand sich in dem Haus Chemnitzer Straße 80 eine Konditorei mit Café. Das Haus, 1905 als Baugeschäft mit Landwirtschaft entstanden, erwarb Ernst Michael um 1912, also vor über 100 Jahren. Er baute es zu einer Konditorei mit Café um. Und es blieb bei wechselnden Besitzern bis heute eine Konditorei und ein Café.

Wer von den alten Grünaern kennt nicht den Fankhänel-, Lorenz-, Klandt-, Golle-, Schulze-Bäck? Nur einmal den westlichen Teil von Grüna bis Höhe Rathaus betrachtet. Sie und alle anderen Grünaer Bäcker sind verschwunden - außer André Bösewetter. In Mittelbach war es ähnlich, dort gibt es nur noch Uwe Kargus, dem im Ortschaftsanzeiger 02/2021 bereits ein Beitrag gewidmet war. Die anderen Bäcker in Grüna und Mittelbach sind Filialen größerer Firmen. Und mehrere dieser Filialen haben in den letzten Jahren schon gewechselt.


Postkarte Café Michael

Das ursprüngliche Café Michael war in Grüna an zentraler Stelle eine Institution, aber wegen der Nähe des Besitzers zu den Nazis und als Treffpunkt der örtlichen NSDAP wurde nach 1945 dem Besitzer der Gewerbeschein entzogen. Die Konditorei hatte dann verschiedene Pächter, u.a. eine Familie Scheibe. 1964/65 erwarb dann der Konditormeister Wilhelm Bösewetter das Gebäude und baute es zur heutigen „Conditorei und Café Bösewetter“ um.


Wilhelm Bösewetter (1915- 2002) stammte aus Pausa im Vogtland, nahe der Grenze zu Thüringen. Er hatte 1939 in Wolfenbüttel als einer der jüngsten Gesellen seiner Zeit die Meisterprüfung bestanden und betrieb ab 1949 gemeinsam mit seiner Frau Marianne in Pausa eine Konditorei. Diese wurde bald zu klein, und so nutzte er die Gelegenheit, in Grüna das Geschäftshaus zu übernehmen. Er zog also mit seiner Familie hierher. Aus heutiger Sicht war es ein großes Glück, dass Opa Wilhelm sämtliche Rezepte aus seiner Gesellen- und Meisterzeit in einem Rezeptbuch gesammelt hatte.

Das Café wurde etwas verkleinert. An den etwas größeren Gastraum vom Café Michael werden sich sicher einige Grünaer erinnern.

Gaststube Cafe Michael

1976 übergab Wilhelm das Geschäft an seinen Sohn Jürgen (1947-2020). Schwierigkeiten, die es für private Geschäftsleute in der DDR gab, und die Hoffnung auf bessere Bedingungen in der Bundesrepublik Deutschland veranlassten die Familie Jürgen Bösewetter zu einem Ausreiseantrag, der im Mai 1988 genehmigt wurde. Fortan betrieben die Eheleute Jürgen und Rosemarie eine Bäckerei mit mehreren Filialen in Feldkirchen bei München. Im Juli 1997 hielt mit André Bösewetter die 3. Generation einen Meisterbrief im Konditorenhandwerk in den Händen. Die Meisterschule der Handwerkskammer München lieferte André die besten Voraussetzungen.

Meisterbrief Andre Bösewetter

1988 pachtete Familie Schwalbe die Konditorei und betrieb sie bis 2002. Konditormeisterin Karin Schwalbe war einst bester Lehrling der Conditorei Bösewetter.

Konditorei Schwalbe

2002, nach dem Tod von Opa Wilhelm, entschied sich Jürgen Bösewetter mit seiner Frau Rosemarie nach Grüna zurückzukehren, um gemeinsam mit Sohn André eine moderne Konditorei mit Café zu eröffnen. Nach erfolgreichem Umbau erhielt man sogar vom Café aus Einblick in die Backstube. Eine Kombination aus traditionellen Rezepten und neuen Inspirationen von Geschäftsreisen aus Paris mitgebracht, ließen das Geschäft mehr und mehr wachsen. Havannarollen, Bananenschnitten, Lerchen, Baiser-Torten und Holländische Kirschtorte sowie der Stollen in der Weihnachtszeit sind ebenso beliebt wie das leckere Eis nach Großvaters Rezept.

Umbau 2002


Backstube

Natürlich verwendet der Konditormeister hochwertige Rohstoffe regionaler Herkunft und verzichtet auf unnötige Zusatzstoffe und Aromen. Es wird größter Wert auf Frische, Qualität und guten Geschmack gelegt. Vom Ofen auf die Theke, keine langen Transportwege ist die Devise. Damit wird auf Nachhaltigkeit, sprich Ressourcenschonung, gesetzt. In Grüna produziert, in Grüna verkauft, das hat etwas mit Heimat und Vertrauen zu tun.

Dass es kein Zuckerschlecken ist, an 6 Tagen in der Woche um 1.30 Uhr aufzustehen, um den Ofen anzuheizen, kann sicherlich jeder nachvollziehen. Mit viel Disziplin, Ausdauer und einem Super-Team im Hintergrund gelingt es André, der seit 2016 das Geschäft alleine führt, seinen Kunden das Leben zu versüßen.



Verkauf

Leider bleibt dem Chef wenig Zeit für sein Hobby, das Motorradfahren. Selten und doch mit großem Spaß beteiligt er sich am ADMV-Classic-Cup. Zur Freude motorradbegeisterter Kunden steht ab und an ein anderes interessantes Motorrad im Café zur Schau.

Gern unterstützt André Grünaer Vereine, den Kindergarten, die Schule und den Hort, denn auch dort sind seine Naschereien sehr beliebt.

Andre mit Kindern

Leider geht die Explosion der Energie- und Rohstoffkosten seit 2022 nicht spurlos vorüber. Die Technik ist zwar modern, aber der Backofen benötigt Erdgas, die Maschinen sowie die Kühlaggregate brauchen Strom.

Niemand kann in die Glaskugel schauen, und so weiß auch André Bösewetter nicht, wie es in Zukunft weitergeht. Die beiden Söhne haben andere Pläne.

Es ist generell keine einfache Zeit für kleine Handwerksbetriebe. Ständig neue Regeln, Verordnungen, Bestimmungen und ein Kontrollsystem von enorm bürokratischem Ausmaß lassen dem Handwerksmeister kaum Zeit und Spielraum für kreative Ideen und deren Verwirklichung.

Seit Dezember 2021 steht das Gebäude mit Grundstück zum Verkauf. Jürgen Bösewetter hatte es 2006 ohne Wissen von André an seine Tochter Evelin verschenkt, die es nun veräußern will. Aufgrund des hohen Preises und des Zustandes kommt ein Kauf für André nicht in Frage.

Es bleibt also spannend, wie es weitergeht. Dass es aber weitergeht, hoffen Bernd Hübler und Ulrich Semmler von ganzem Herzen. Wo sollten wir sonst in Zukunft unsere beliebten Konditoreiwaren wie Havannarollen, Windbeutel, Baiser- und Holländer-Kirsch-Torten herbekommen ….?

Wir bedanken uns für das interessante Gespräch bei André Bösewetter und die Einblicke in den Alltag eines Konditors.

Dieser Artikel stammt aus dem Ortschaftsanzeiger Grüna / Mittelbach Februar 2023

gruena-online.de

Der Heimatverein Grüna e.V. betreibt diese Internetseite, um unserem Ortsteil Grüna eine gewisse Eigenständigkeit zu erhalten.

Heimatverein Grüna e.V.

Die Arbeit des Heimatvereins ist sehr vielseitig.
Interesse an einer Mitarbeit?
Bitte treten Sie mit uns in Kontakt!

REDAXO 5 rocks!