Kindertagesstätten in Grüna 1990 bis 1999

Aus der Geschichte unserer Stadtteile

Zur Entwicklung der Kindertagesstätten in Grüna von 1990 bis 1999

Im Heft 4/2022 des Ortschaftsanzeiger Grüna-Mittelbach wurde anlässlich ihres 75-jährigen Bestehens über die Schaffung der ersten Kindertagesstätten in Grüna berichtet. Dabei wurde vor allem auf die Anfangszeit in der sowjetischen Besatzungszone und die Entwicklung in der DDR eingegangen. Nachfolgend wird der Beitrag fortgesetzt und das weitere Geschehen nach dem Ende der DDR im wiedervereinten Deutschland geschildert.

Von Christoph Ehrhardt

Zunächst noch einige Ergänzungen zur Entwicklung der Kindertagesstätten in der sowjetischen Besatzungszone und der DDR.

Die Schaffung der ersten Kindergärten geht auf die Entwicklung nach dem 2. Weltkrieges 1945, insbesondere auch die damalige Gesetzgebung in der sowjetischen Besatzungszone zurück. Bereits im November 1945 wurden vom Landrat Chemnitz im Rahmen der Aktion Volkssolidarität über die Bürgermeister die Solidaritätsausschüsse in den Gemeinden aufgefordert, Kindergärten zu errichten, „vor allem dort, wo eine Notwendigkeit vorlag“.

Am 31. Mai 1946 trat das „Gesetz zur Demokratisierung der deutschen Schule“ in Kraft, das im Rahmen der antifaschistischen demokratischen Schulreform in Sachsen eingeführt wurde. Es beinhaltete außer der Umwandlung der Volks- in Grundschulen auch den Aufbau von Kindergärten. Die sowjetische Besatzungsmacht nahm mit ihren Befehlen darauf entscheidenden Einfluss.

Nach den gesetzlichen Richtlinien sollten die Kinder in den Familien weitgehend in staatlichen Heimen betreut, auf die Schule vorbereitet und an das spätere „sozialistische Leben“ herangeführt werden. Damit konnte bereits in der Vorschulzeit gesellschaftspolitischer Einfluss auf die Erziehung der Kinder genommen werden. Die Betreuung und Erziehung in den Heimen war vor allem für Kinder aus Arbeiter- und Bauernfamilien von Anfang an kostenlos. Die Eltern mussten nur einen kleinen finanziellen Beitrag für das Essen der Kinder aufbringen. Die Kosten für die Erziehung (Löhne der Kindergärtnerinnen) wie auch des technischen Personals sowie Reparaturen an Gebäuden und Einrichtungen waren durch den Staat jedoch kaum abgesichert. Die verantwortlichen Gemeinden wie auch übergeordneten Land- und Kreisräte waren finanziell überfordert, wie dies bei der Schaffung einer Kinderkrippe in Grüna der Fall war. Bis in die letzten Jahre der DDR blieb dies im Wesentlichen so bestehen.

Da in den meisten Fällen auch kein Geld für die Errichtung neuer Gebäude vorhanden war, richtete man die Kindertagesstätten meist in bereits vorhandene ältere Gebäude ein, die aber in den folgenden Jahren bald reparaturbedürftig und baufällig wurden. Vor allem im Kindergarten an der Karl-Marx-Straße 93 (heute Chemnitzer Straße) stellten sich am Gebäude und seinen Einrichtungen im Verlauf der letzten Jahre der DDR ständig neue Mängel und Schäden ein, die aus finanziellen Gründen nicht immer sofort behoben werden konnten. So hatte man in Grüna, als sich das Ende der DDR abzeichnete, eine Liste mit „notwendigen baulichen Maßnahmen und Reparaturen im Kindergarten für das Jahr 1990“ vorbereitet, die vermutlich später an die neue Gemeindevertretung bzw. dem Bürgermeister übergeben wurde.

Die Entwicklung der Kindertagesstätten in der Gemeinde Grüna von der politischen Wende bis zur Eingemeindung

In der damals noch selbständigen Gemeinde Grüna konnten die Kindereinrichtungen (Kinderkrippe und -garten) im Ort unter den neuen marktwirtschaftlichen Verhältnissen im Wesentlichen ohne größere finanzielle Probleme weitergeführt werden. Es sei aber erwähnt, dass im Vergleich dazu die Entwicklung in vielen Gemeinden der näheren Umgebung zum Teil anders verlief.

In den Jahren 1989/90 führten die Ereignisse der politischen Wende zu grundlegenden und nachhaltigen Veränderungen in den sozialen Einrichtungen der Gemeinden. Die Finanzierung der bisher volkseigenen und betrieblichen Kindergärten und -krippen aus dem Staatshaushalt stand unter den neuen marktwirtschaftlichen Verhältnissen in Frage. Sie sollte reduziert werden bzw. später ganz wegfallen. Viele Familien und Eltern befürchteten mit der Einführung der Marktwirtschaft einen Abbau der sozialen Leistungen und die Schließung der sozialen Einrichtungen.

In der DDR war im Gegensatz zur BRD ein umfassendes flächendeckendes Netz an Kindereinrichtungen geschaffen worden, das im wieder vereinigten Deutschland weitestgehend erhalten werden sollte. Auch in Grüna wünschten sich die Eltern eine Weiterführung der sozialen Einrichtungen, verbunden mit einer vielfältigeren und individuelleren Betreuung ohne die parteipolitische Beeinflussung, wie sie vorher in der DDR üblich war.

Mit der neuen Kommunalgesetzgebung im Jahre 1990 hatte man den Gemeinden die Verantwortung über den Erhalt und die Fortführung der Kindertagesstätten übertragen. Neben der Betreuung sollten auch die Kindergeldregelung und die Schulspeisung im Wesentlichen bestehen bleiben.

In der DDR bis in das Jahr 1990 hinein waren die Kosten für einen Platz bzw. die Teilnahme eines Kindes in der Kindertagesstätte sehr gering. Für einen Krippenplatz musste täglich von den Eltern des Kindes nur ein Betrag von 1,40 M und für das Essen im Kindergarten nur 0,35 M entrichtet werden. Die Kosten für die Betreuung und Erziehung wurden aus dem DDR-Haushalt finanziert, was jedoch nicht immer gesichert war.

Mit der Einführung marktwirtschaftlicher Verhältnisse wurde alles anders. Ab der Währungsunion am 1.Juli 1990 stiegen in den sozialen Einrichtungen die Wirtschafts- und Unterhaltungskosten. Um die Kosten auszugleichen, wurden ab August 1990 die von den Eltern dafür zu zahlenden Beiträge erhöht. Der Preis für eine Speisung im Kindergarten (meist ein Mittagessen) stieg durch Mehraufwendungen für Lebensmittel auf etwa 1,50 DM pro Kind und Tag. Höhere Verpflegungssätze galten auch für ein Essen in Kinderkrippen mit 2,50 DM pro Kind und Tag. In sozialen Härtefällen war den Kommunen die Möglichkeit gegeben, über eine Ermäßigung oder einen Erlass bei kinderreichen Familien zu entscheiden.

Die Kosten für die Betreuung der Kinder (Entlohnung der Kindergärtnerinnen) und Erhaltung der Einrichtungen waren hoch und begannen weiter zu steigen. Sie betrugen in vielen Kommunen der neuen Länder bis zu 70% des Gesamthaushaltes der Gemeinde und konnten von diesen in voller Höhe nicht übernommen werden. Auch die bisher volkseigenen Betriebe, die zu DDR-Zeiten die Kindertagesstätten mit finanziellen und Handwerksleistungen unterstützten, hatten unter den neuen marktwirtschaftlichen Bedingungen ihre Hilfe weitgehend zurückgezogen.

Um eine Aufrechterhaltung und Weiterführung der Kindertagesstätten zu gewährleisten, wurden die Kosten bis Mitte 1991 vom Bundeshaushalt übernommen. Dies galt nach dem Einigungsvertrages auch für die Finanzierung erforderlicher Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen in den Kindertagesstätten. Aus finanziellen Gründen sollte keine Kindereinrichtung geschlossen werden.

Mit Wirksamwerden der neuen gesellschaftspolitischen Verhältnisse begannen sich die Beschäftigten in den Kindertagesstätten auf die neue Lage einzustellen. Die von Eltern und Erzieherinnen bei der Betreuung geforderte Trennung vom politischen Erziehungsauftrag war bereits in den ersten Monaten des Jahres durch gesetzgeberische Schritte vollzogen worden. Die Aufgaben und die Arbeitsweise wurden zunehmend den örtlichen Gegebenheiten und Wünschen der Eltern angepasst. Die Erziehung der Kinder sollte mehr in kleineren Gruppen erfolgen. Reduziert wurde die Aufenthaltsdauer der Kinder. Für die Kindergärtnerinnen in ihrer Arbeit gab es mehr Freiräume; u.a. bei der Auswahl der Bildungs- und Erziehungsinhalte, der Gestaltung des Tagesablaufes und bei der Verwirklichung der pädagogischen Absichten.

Die Zahl der zu betreuenden Kinder war in den Jahren 1990/91 durch die zurückgehende Nachfrage, insbesondere durch weniger Geburten und den wirtschaftlich sozialen Wandel (beginnende Arbeitslosigkeit, vor allem auch bei Frauen) gesunken. Genaue Zahlen konnten dafür nicht ermittelt werden. In der Beurteilung der Lage war man in Grüna von etwa 100 Kindern für den Kindergarten ausgegangen. In der Kinderkrippe betrug die Zahl der Kinder nur noch 40. Allerdings trug dazu auch der damals hohe Krankenstand mit bei.

Nach den Jahren in der DDR war es notwendig, vor allem den Kindergarten.im Ort grundlegend zu erneuern. Erforderliche Baumaßnahmen und Reparaturen konnten vorher wegen fehlender finanzieller Mittel in der DDR nicht mehr vorgenommen werden. So wurde bereits 1990 begonnen, die veraltete Braunkohleheizung im Gebäude des Kindergartens durch eine neue moderne Gasheizung zu ersetzen. Das Außengelände gestaltete man weitgehend neu. Die Räume im Gebäude wurden renoviert.

Um die weitere Betreuung in beiden Einrichtungen des Orts zu sichern, wurde durch die Grünaer Gemeindevertretung ab 1.April 1991 von den Eltern der Kinder erstmals ein Beitrag zur Mitfinanzierung erhoben. Er war zunächst befristet und betrug für den Kindergarten monatlich 50.- DM pro Kind (für Alleinerziehende 30.- DM) und für die Kinderkrippe monatlich 80.- DM pro Kind (für Alleinerziehende 60.- DM). Für Eltern, die die geforderten Beiträge nicht aufbringen konnten, bestand die Möglichkeit, den Beitrag ganz oder teilweise zu erlassen. Nach der Vereinigung Deutschlands kostete ein Kindergartenplatz in Grüna im Jahre 1991 monatlich etwa 300.- DM, ein Kinderkrippenplatz sogar etwa 500.- DM, wobei die Kosten für einen Platz je nach Gemeinde sehr verschieden waren.

Nach Einbau der neuen Heizung im Jahre 1991 und Fertigstellung der Räume konnten die Kinder im neugestalteten Kindergarten und in der Kinderkrippe ihren Kindertag im Juni feiern, später auch den „Tag der offenen Tür“ sowie eine Weihnachtsfeier durchführen. Gaben und Geschenke spendeten die hiesige Bäckerei Pötschke, die Fleischerei Winter sowie das Schreib- und Spielwarengeschäft Geßner, die Drogerie Knöchel und das Fotogeschäft Schulz. Jan Klose führte Ponykutschfahrten durch. Die Fa. Simmel, das größte Handelsunternehmen nach der politischen Wende, stellte eine Hüpfburg den Kindern zur Verfügung.

Nicht alle in der Umgebung befindlichen Kindertagesstätten konnten damals im ersten Jahr nach der politischen Wende ihre Tätigkeit aufrechterhalten und Veranstaltungen durchführen. Nach Beendigung der finanziellen Unterstützung aus dem Staatshaushalt gerieten verschiedene Gemeinden in finanzielle Nöte. Einige Gemeinden mussten ihre Kindertagesstätten zeitweise schließen oder die Bezahlung ihrer Kindergärtnerinnen auf der Basis von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) vornehmen. Dagegen kam es zu Warnstreiks durch Lehrer und Kindergärtnerinnen, u.a. auch in Chemnitz.

Im Jahr 1992 musste in Grüna die Kinderkrippe, Chemnitzer Str. 18, aufgelöst werden. Auf das denkmalgeschützte Gebäude der einst Abelschen Villa, die um 1953 enteignet wurde, hatten Erben früherer Besitzer Eigentumsansprüche angemeldet. Begonnen wurde daraufhin durch die Gemeinde Grüna mit einem größeren Umbau des Erdgeschosses im Kindergartengebäude, Chemnitzer Str.93. Dies war notwendig, um die Kleinkinder der Kinderkrippe später mit aufnehmen zu können. Eine Zusammenlegung beider Einrichtungen war auch erforderlich, da beide Gebäude durch die Grünaer Gemeinde hätten nicht mehr finanziert werden können. Nach Fertigstellung des erforderlichen Umbaus in Höhe von etwa 120000 DM konnten ab 1.Sept.1992 alle Kinder im Alter bis zu 6 Jahren in der erweiterten Kindertagesstätte einziehen.

Außer dem Einbau der neuen Heizung und dem Umbau des Gebäudes hatte man den gesamten Spielgarten bzw. die Spielwiese neugestaltet.

Zur Erhaltung, Verbesserung und Fortführung der Einrichtung waren beträchtliche Zuschüsse aus dem Gemeindehaushalt gezahlt worden. Weitere finanzielle Mittel erfolgten vom Land Sachsen sowie durch Elternbeiträge.

Die Erzieherinnen der Kinderkrippe wurden in das gemeinsame Haus mit übernommen, so dass auch eine fachliche Betreuung für jede Altersgruppe der Kinder gewährleistet war. Wie berichtet wurde, „...war das Zusammengehen am Anfang nicht ganz einfach und für die ehemaligen Krippenerzieherinnen mit einer größeren Umstellung verbunden. Bisher gaben die Kindererzieherinnen einzeln ihre Sprösslinge am 3.Geburtstag an den Kindergarten. Jetzt mussten sie nun mit ihrer ganzen Gruppe umziehen.“ Für die Kinder hatte es den Vorteil, dass die Kinder ihre geliebten Erzieherinnen behalten konnten.

Ínsgesamt hatte man in der neuen Kindertagesstätte etwa 120 Kinder untergebracht. Wegen des starken Geburtenrückgangs war ihre Zahl in den Jahren der politischen Wende 1989/90 zurückgegangen. In Grüna wurden 1991 und 1992 nur 23 bzw. 22 Kinder geboren (im Vergleich dazu waren es im Jahr 1986 vor der politischen Wende 47).

In der erneuerten Kindertagesstätte feierte man im Jahr 1992 wieder einen Kinderfasching, gestaltete einen „Tag der offenen Tür“ aus und führte für die künftigen Schulanfänger ein Abschlussfest mit Wanderung, Mittagessen und Kaffeetrinken durch. Höhepunkt war ein Zuckertütenbaum.

Die Arbeit mit den Kindern wurde wie im vergangenen Jahr durch zahlreiche Gaben und Spenden der hiesigen Bäckerei und Fleischerei sowie anderen Gewerben unterstützt. Der Geflügelzuchtverein überbrachte Ostereier. Eine größere Geldspende wurde von dem Autohändler Fa. Hof übergeben. Jan Klose führte wieder Ponykutschfahrten durch.

In Grüna konnte infolge einer soliden Haushaltführung eine zeitweilige Schließung der Einrichtung aus finanziellen Gründen vermieden werden. Aufgrund des Rückganges der Nachfrage nach freien Plätzen war es nicht mehr erforderlich, die 1988/89 erfolgte zusätzliche Unterbringung der Kinder im Gebäude der Oberschule Grüna aufrecht zu halten.

Auch in Chemnitz und der näheren Umgebung ging die Nachfrage nach freien Plätzen in den Kindereinrichtungen zurück. (21a) Vor allem in den größeren Gemeinden gab es nach der politischen Wende ein Überangebot, das den Haushalt der Kommunen finanziell belastete. Die Gebühreneinnahmen in den Gemeinden waren noch vergleichsweise gering. Andererseits stiegen die Sozialhilfekosten. Die Zuschüsse vom Land Sachsen, der Kommune sowie die Elternbeiträge reichten bei vielen Gemeinden nicht aus. (25) Die Entwicklung führte dazu, dass in Chemnitz allein 35 Kindereinrichtungen im Jahre 1992 geschlossen werden mussten.

Zwischenzeitlich waren vom Land Sachsen ein neues Gesetz und eine neue Verordnung zur Förderung von Kindern in den Tageseinrichtungen in Kraft getreten, die eine Überarbeitung der bisherigen Elternbeiträge erforderlich machten und eine Erhöhung zum Ziel hatten.

Die neuen geforderten Elternbeiträge waren stark umstritten, wurden aber vom sächsischen Sozialministerium als akzeptabel und notwendig aufgrund der höheren Kosten für die Betreuung in den Kindereinrichtungen begründet.

Nachdem viele Gemeinden und einzelne Städte die Elternbeiträge bereits 1992 angehoben hatten, beschloss auch die Gemeinde Grüna neue Elternbeiträge. Die ab 1.1. 1993 eingeführten Elternbeiträge stiegen von bisher 80 DM auf 100 DM für den Kindergarten und von 120 DM auf 150 DM für die Kinderkrippe. Die Elternbeiträge lagen jedoch noch weit unter den vorgegebenen zulässigen Höchstbeträgen.

Auch im folgenden Jahr 1993 konnte die Gemeinde in Grüna ihre Kindertagesstätte unter den neuen marktwirtschaftlichen Verhältnissen (sowie auch den höheren Elternbeiträgen) zufriedenstellend und ohne finanzielle Probleme weiterführen. Anders jedoch verlief die Entwicklung in manchen Gemeinden der Umgebung. Die Finanzierung der Kindertagesstätten war weiterhin stark umstritten. Kritisiert wurde von mehreren Gemeinden und Eltern der Kinder der Entwurf des neuen sächsischen Kindertagesstättengesetzes, das ab 1. Juli 1993 in Kraft treten sollte. Nicht wenige Gemeinden befürchteten bei Annahme des Gesetzes größere finanzielle Probleme.

Nach Darstellung des Sächs. Städte- u. Gemeindetages (SSG) drohte vielen Städten und Gemeinden bei Annahme des Kindergartengesetzes ein Finanzkollaps. Auch die Kreisverwaltung Chemnitz der Gewerkschaft ÖTV sah den Entwurf des Gesetzes als kinderfeindlich an und als eine Gefahr für viele Chemnitzer Arbeitsplätze. Gemeinden und SSG forderten, dass nicht, wie vorgesehen, die einzelnen Kindergartenplätze, sondern die Personalkosten der Erzieherinnen bezuschusst werden sollten. Die Gewerkschaft GEW warnte davor, dass durch das neue Gesetz „...die Eltern noch tiefer in die Tasche greifen müssen.“

Vom sächsischen Sozialministerium wurde das Kindertagesstättengesetz als notwendig verteidigt. Als Änderung wurden ab 1.Juli 1993 die staatlichen Zuschüsse für Kindertageseinrichtungen erhöht. Gleichzeitig hob man die Obergrenzen für die Elternbeiträge mit an.

Im weiteren Verlauf des Jahres 1993 wurde den Kindern der Grünaer Tagesstätte im April die Fahrzeuge und Geräte der Freiwillige Feuerwehr des Ortes vorgeführt. Ziel der Veranstaltung war, schon im Kindesalter auf die Notwendigkeit einer Brandschutzerziehung hinzuweisen.

 

Am Gebäude der Kindertagesstätte stellten sich jedoch immer wieder Schäden ein. Zu einen Wasserrohrbruch, der einen hohen Schaden von über 90000.- DM verursachte, kam es am 7. August. Das gesamte vordere Gebäude stand unter Wasser. Der Fußboden einschließlich Gebälk, alle Decken und Wände mussten komplett erneuert werden. Eine geraume Zeit war es notwendig, die Kinder nach der Havarie auf engstem Raum zu betreuen. Einige Eltern nahmen ihr Kind für kurze Zeit mit nach Hause, um die Tätigkeit der Erzieherinnen zu entlasten. Trotz des immensen Schadens am Gebäude musste die Kindertagesstätte in den kommenden Jahren weiter betrieben werden, da im Ort noch kein geeignetes Haus sofort zur Verfügung stand. So wurden neben den erforderlichen Sanierungs- und Reparaturarbeiten in der oberen Etage des Kindergartengebäudes neue Fenster eingebaut. Einige Kindergruppen erhielten neue Garderoben. Nach den Plänen von 1993 sollte das Oberförstereigebäude, in welches etwa 15Jahre später der Kindergarten einzog, zu einem Freizeitpark ausgebaut werden.

In der Kindertagesstätte führte man 1993 wie im Vorjahr wieder eine Vielzahl von Veranstaltungen durch. Außer dem Weihnachtssingen im Altersheim Grüna, das den Bewohnern und den Kindern alljährlich große Freude bereitete, fand als Höhepunkt und krönender Abschluss für die Schulanfänger wieder das Zuckertütenfest statt. Unterstützung erhielten die Kinder von dem Getränke-Unternehmen Coca-Cola, das Trinkpäckchen für die Kinder bereitstellte. Die Zimmerei Jürgen Nitzsche schenkte der Kindertagesstätte ein Gartenhäuschen. Der Geflügelzüchterverein spendete viele Ostereier.

Mit Beschluss Nr. 25/93 ließ die Gemeindevertretung Grüna im Volkspark an der Chemnitzer Straße oberhalb des Kulturhauses im Jahr 1993 einen Spielplatz anlegen.

Mit Jahresbeginn 1994 wurden erneut die Elternbeiträge erhöht. Die Maßnahme war erforderlich, um die erhöhten Kosten in den Kindertagesstätten auszugleichen, die in den vergangenen Monaten durch eine weitere Tarifangleichung bzw. Erhöhung der Löhne der Kindererzieherinnen entstanden waren. Die Elternbeiträge stiegen für Kinder bis 3 Jahre auf 180.- DM und für Kinder über 3 Jahre auf 140.- DM. Nach Mitteilung der Gemeindeverwaltung lagen jedoch die neuen Beiträge ein großes Stück unter den möglichen und von den anderen Gemeinden erhobenen Höchstbeträgen. Für Familien mit mehreren Kindern in den Einrichtungen, für Alleinerziehende und für Geringverdienende bestand die Möglichkeit, Ermäßigungen zu gewähren. Auch die Erzieherinnen der Grünaer Einrichtung berichteten, dass die Kindertagesstätte eine gute Unterstützung durch die Kommune erhält und sich die Elternanteile für die abzudeckenden Kosten in vertretbaren Relationen hielten.

Im Jahr 1994 wurden die ständig jährlich wiederkehrenden Veranstaltungen durchgeführt: das Weihnachts- und Osterfest, der Kindertag und die Kindergeburtstage, das Zuckertütenfest für die Schulabgänger u.a. Als Besonderheit fand wieder eine von den Kindergruppen der Tagesstätte ausgestaltete Weihnachtsfeier im Alten- und Pflegeheim Grüna statt. In Vorbereitung des Weihnachtsmarktes führte der Kindergarten zusammen mit dem Hort am 2. Dezember 1994 einen Kindernachmittag durch, ein buntes Programm für die ganze Familie. Auch Oma und Opa sollten auch die Einrichtung kennenlernen.

Die alljährliche Kinderweihnachtsfeier wurde unterstützt durch zahlreiche Geld- und Sachspenden der Firmen Coca-Cola, Sattlerei Lesch, Quelle-Agentur Rolf Ziegler und der Fa. Solidbau. Zu Ostern erfolgte wiederum Unterstützung durch den hiesigen Geflügelzuchtverein mit vielen Ostereiern sowie durch die Firma Konrad Mai mit einer Geldspende.

Im Jahr 1994 ließ die Gemeindevertretung einen weiteren Spielplatz neben der Oberschule, August-Bebel-Str.7 anlegen.

Auch in den folgenden Jahren 1995 und 1996 konnte die Grünaer Gemeinde ihre Kindertagesstätte wie bisher zur Zufriedenheit der Eltern und Kinder weiterführen. Zur Freude der Kinder und Erwachsenen wurde zur Vorweihnachtszeit 1995 vor dem Kindergarten an der Chemnitzer Str. 95 eine größere Pyramide aufgestellt. Sie entstand in Gemeinschaftsarbeit zwischen dem Schnitzverein Grüna und Grünaer Handwerkern.

Gegen Ende des Jahres 1995 wurde bekannt, dass der sächsische Landtag beabsichtigte, u.a. die Finanzmittel für die Kindertagesstätten des Landes im nachfolgenden Jahr zu kürzen, um den sächsischen Staatshaushalt zu konsolidieren. Erzieherinnen, Eltern, aber auch Gewerkschaften und die SPD- und PDS-Oppositionen im Landtag befürchteten eine Verschlechterung der Kinderbetreuung in den Tagesstätten sowie einen Abbau von Betreuungskräften. In Chemnitz und auch anderen größeren Gemeinden, kam es daraufhin schon im November/Dezember 1995 zu Protestumzügen der Erzieherinnen, Eltern von Kindern und anderen Bürgern gegen die Sparmaßnahmen. Verschiedene Organisationen, wie die Gewerkschaften GEW und ÖTV hatten dazu aufgerufen.

Das Sozialministerium hielt dagegen, dass Sachsen eines der kostspieligsten Kindertagsstättengesetze hat und Landeszuschüsse bereits in beträchtlicher Höhe den Kommunen für die Kindereinrichtungen zuführe. Aufgrund der weiter zunehmenden Kritiken beschloss der sächsische Landtag im Juni 1996 umfangreiche Änderungen am Kindertagesstättengesetzes, die u.a. auf eine Anhebung des Personalschlüssels, Reduzierung der Betreuungsstandards und eine weitere Erhöhung der Elternbeiträge für den Kindergarten hinausliefen. Im Ergebnis wurden in manchen Gemeinden (Chemnitz) die Tagesstättenplätze teurer, viele Erzieherinnen erhielten bis Jahresende 1996 ihre Kündigung. Ein Grund ist aber auch in den weiter zurückgehenden Kinderzahlen zu sehen.

Während in vielen Einrichtungen des Umlandes die Elternbeiträge erhöht wurden, konnten einige wenige Gemeinden ihre Gebühren sogar senken. In Grüna brauchte die Gemeindevertretung die Maßnahmen kaum in Anspruch zu nehmen. Aufgrund ihres guten finanziellen Haushaltstandes konnte die Gemeinde auf eine weitere Erhöhung der Elternbeiträge verzichten. Aber auch für das kommende Jahr 1997 hatte der Bürgermeister keine Erhöhung der Hort- und Kindergartenbeiträge in der Gemeinde vorgesehen.

Ein weiterer Spielplatz war 1997 im neuen Wohngebiet „Hexenberg“ vorgesehen. Dieser musste jedoch aufgrund unterschiedlicher Interessengruppen von Bürgern wieder abgebaut werden. Immerhin hatte Grüna schon 3 Spielplätze im Ort, wenn man den Spielplatz in der Kindertagesstätte mitzählt. Im Vergleich dazu waren in dem Jahr viele Chemnitzer Ortsteile mit einem oder gar keinem Spielplätz unterversorgt.

Im Mai 1998 wurde die Kindertagesstätte anlässlich ihres 45jährigen Bestehens durch Bürgermeister Traetz unter Beisein der Eltern der Kinder in einem feierlichen Rahmen in „Spatzennest“ benannt. Anlässlich des Jubiläums veranstalteten die Erzieherinnen des Kindergartens eine Festwoche. Am 5. Mai 1998 lud das Team des Kindergartens alle Bürger zu einem „Tag der offenen Tür“ ein.

Das zunehmend baufällige und marode Gebäude musste jedoch weitergeführt werden. Ein neues Gebäude war dafür noch nicht gefunden worden.

Die Zeit nach der Eingemeindung unseres Ortes

Im Jahr 1999 wurde Grüna nach Chemnitz eingemeindet. Nach dieser Gemeindegebietsreform stand erneut die weitere Entwicklung der Kindertagesstätte infrage. Verbunden waren damit auch höhere Elternbeiträge. Die Kindergärtnerinnen der Einrichtung und die Elternschaft entschieden sich gemeinsam für eine freie Trägerschaft. Am 1. April 2000 wurde die Kindertagesstätte durch die Arbeiterwohlfahrt, Kreisverband Chemnitz und Umgebung e.V. übernommen.

Vorher am 29. November 1999 erfolgte die Gründung eines Fördervereins unter dem Namen „Förderverein Kindertagesstätte Spatzennest Grüna e.V.“ durch einer Gruppe engagierter Eltern, Elternrat, Erzieherinnen und Angestellten des Kindergartens. Der Verein hatte sich zur Aufgabe gemacht, den Grünaer Kindergarten im Wesentlichen zu unterstützen.

Das Gebäude an der Chemnitzer Str. 93 konnte nur noch mit Ausnahmegenehmigungen weiter betrieben werden. 150 Kinder, davon 25 Krippenkinder mussten weiterhin unter sehr schwierigen Bedingungen von den Erzieherinnen betreut werden. An eine Erweiterung der Plätze war nicht zu denken. Erst im Jahre 2009 konnte die Kindertagesstätte aus der Chemnitzer Straße als „Kinderhaus Baumgarten“ in das aufwendig um- und ausgebaute ehemalige Oberförstereigebäudes umziehen. Die Eröffnung erfolgte am 29. August 2009.

Die Gebäude der bisherigen Kindertagesstätte (ehemaliges Fabrikgebäude mit Wohnhaus) wie auch die benachbarte Manometerfabrik Alfred Preiss, Chemnitzer Str. 95 (ebenfalls Fabrik mit Wohnhaus) wurden kurz danach abgebaut. Heute steht an dieser Stelle das neue Simmel-Kaufhaus.

Über die neuere Zeit nach der Eingemeindung unseres Ortes soll zu einem späteren Zeitpunkt ausführlicher berichtet werden.

Ergänzend sei noch angemerkt, dass die seit 1997 arbeitende Mutter-Kind-Gruppe im November 1999 den Verein „Mäusenest Grüna e.V.“ gründete. Der Verein, der sich jetzt in der August-Bebel-Str. 40 befindet, hatte anfangs seinen Sitz in Grüna an der Chemnitzer Str. 129.

Seine Gründung erfolgte, um die Bildung und Erziehung von Kindern im Kleinkind- und Vorschulalter mit ihren Müttern in Grüna und Umgebung besser organisieren und fördern zu können. Besucht wurde die Kinderstätte vorwiegend von Familien mit Kindern im Alter bis zu 3 Jahren. Bis zum Jahre 2001 waren es fast 50 Mitglieder, zumeist junge Mütter mit 1 bis 2 Kindern, viele aus Grüna und Mittelbach, aber auch einige Eltern aus den umliegenden Ortschaften. Der Verein, dessen Existenz zum Jahreswechsel 2022/23 auf der Kippe stand und der (vorerst) gerettet ist, führte seit seiner Gründung viele Veranstaltungen durch. Über seine weitere Entwicklung soll zu einem späteren Zeitpunkt ausführlicher berichtet werden.

Die im Originalbericht ausführlich zitierten Quellen entstammen dem Stadtarchiv Chemnitz, dem Amts- u. Mitteilungsblatt 1990 – 99 der Gemeinden Grüna bzw. Grüna/Mittelbach (Vorgänger des jetzigen Ortschaftsanzeigers), der Freien Presse, Chemnitz, Ausgaben 1990 – 97. Weitere Quellen sind Gesetze der DDR und der Bundesrepublik bzw. deren Durchführungsbestimmungen. Was die Ergänzungen der Nachkriegsjahre anbetrifft, so entstammen sie Befehlen, die von der sowjetischen Militäradministration erlassenen wurden.

Christoph Ehrhardt

Dieser Artikel stammt aus dem Ortschaftsanzeiger Grüna / Mittelbach April 2023

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