1924 Geschichte Naturpark und Dachsbaude

Grüna vor 100 Jahren

Zur Geschichte des Naturparkes und der „Dachsbaude“ Teil 1

Von Christoph Ehrhardt

1924 erwarb der Verein „Erzgebirgische Gruppe des Bundes der Vereine für naturgemäße Lebens- und Heilweise e.V.“ in Berlin mit Sitz in Chemnitz vom Forstamt Grüna ein Grundstück am Waldrand an der Pleißaer Straße, damals bezeichnet mit „Fichtenhochwald.“ Der Kauf des Waldgeländes war Ausgangspunkt für die Schaffung des heutigen Naturparks mit der „Dachsbaude.“ Im nachfolgenden Beitrag soll über die Entstehung des Parks und das weitere Geschehen vor allem in den Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts berichtet werden. Da die Schaffung des Naturparkes anfangs im Wesentlichen auf die Tätigkeit der damaligen Naturheilvereine zurückzuführen war, ist es erforderlich, in diesem Beitrag auch auf die Entwicklung dieser Vereine mit einzugehen. In diesem 1.Teil des Beitrages soll das Geschehen zunächst nur bis Anfang der 1970er Jahre aufgezeigt werden.

Anmerkung: Der heute gebräuchliche Begriff „Dachsbaude“ entstand erst später. Er ist auf die Schenkung eines dieser ausgestopften Tiere zurückzuführen, die vermutlich in den 1970er Jahren erfolgte und deshalb in dem geschichtlichen Text dieses ersten Teils noch nicht erwähnt wird.

Bereits vor dem 1.Weltkrieg gab es von den Naturheilvereinen Bestrebungen, für ihre Ziele, wie die Errichtung von Luft- und Sonnenbäder oder Gesundheitsgärten, geeignete Grundstücke zu erwerben. Die damals zur Jahrhundertwende erfolgte Tätigkeit des Grünaer Naturheilpraktikers Bertrand Stahringer, aber auch der spätere Niedergang seiner Naturheilanstalt mit ihren Luft- und Sonnenbädern waren noch in bleibender Erinnerung. Auch in Grüna versuchte der einst von Stahringer gegründete und später mit neuen Vorständen arbeitende Naturheilverein geeignetes Gelände zu kaufen. In den Grünaer Akten werden 1910 der „Türksche Steinbruchwald“, wenige Jahre danach ein Teil des Geländes des Gutsbesitzers Nitzsche aufgeführt. Beide Grundstücke wie auch das Gelände der früheren Stahringerschen Naturheilanstalt lagen am Südhang des Totensteins. Die Kaufgesuche wurden jedoch abgelehnt. Der nachfolgende 1.Weltkrieg 1914 -18 bremste die Entwicklung. Nach dem Kriege entstanden jedoch weitere Naturheilvereine.

1924 schließlich gelang es der neuen o. g. „Erzgebirgischen Gruppe des Bundes der Vereine für naturgemäße Lebens- und Heilweise e.V.“ in Berlin mit Sitz in Chemnitz, am Waldrand, wo die Pleißaer Straße endet, ein Grundstück zu erwerben. Für das Waldgelände hatte man wenige Monate nach Ende der Inflation und Einführung der Goldmark die damals beträchtliche Summe von 4000.- GM gezahlt.

Nach Abschluss des Vertrages und dessen Genehmigung durch das Finanzministerium in Dresden begannen die Mitglieder des Vereins in den folgenden 20er Jahren das Waldgrundstück für Erholungs- und Heilzwecke auszugestalten. In freier Natur sollten Sonnen- und Luftbäder mit Gymnastik im oberen Teil des Geländes errichtet und durchgeführt werden, so, wie es wenige Jahrzehnte zuvor bereits im Parkgelände der früheren Stahringerschen Naturheilanstalt geschah.

Nach dem ersten Ausbau des Geländes führte der Verein in den weiteren Jahren verschiedene Veranstaltungen durch. Schon am 4.7.1926 fand ein Gruppenfest statt, bei dem auch eine in der Nähe liegende größere Wiese mit benutzt wurde. Auf der sogenannten Festwiese waren eine Tombola, ein Kindertheater, Glücksrad und ein kleines Karussell aufgestellt. Dort wurden auch Bier und Kaffee für die Besucher ausgeschenkt. Der Gemeinderat musste für das Fest einen größeren Wasserwagen zur Verfügung stellen, da auf dem Grundstück kein Wasser vorhanden war. Der erzielte Reingewinn sollte für die Errichtung eines Ferienheimes für Kinder (möglicherweise der späteren Vereinshütte) auf dem neu erworbenen Waldgrundstück verwendet werden.

Im Jahr 1928 bestand weiterhin die Absicht, auf dem Waldgrundstück eine Anlage für die Frauen- und Jugendgruppe zur Durchführung von gymnastischen Übungen zu errichten. Aus finanziellen Gründen konnte das Projekt nicht mehr durchgeführt werden. Das schöne Gelände sollte weiterhin für die Grünaer Einwohner genutzt werden. Im Jahre 1929 veranstaltete man eine Waldkirmes.

Anzeige aus den Grünaer Nachrichten vom 17.8.1929

1932 errichteten die Mitglieder des Vereines unter Leitung des Grünaer Bauinspektors Max Dienewald auf dem Gelände eine Unterkunftshütte, die heutige „Dachsbaude“.

Mitglieder des Naturheilvereins vor ihren neuen Hütte 1932

Der Bau erfolgte in der Zeit der großen Arbeitslosigkeit. M. Dienewald war ein sehr kompetenter Baufachmann. Er wohnte auf der Damaschkestraße im oberen Ortsteil Grüna. Ein Gedenkstein befindet sich unmittelbar vor der Dachsbaude. Sein Bild hängt heute noch in der Dachsbaude und ein Gedenkstein befindet sich vor der Baude.

Max Dienewald, Förderer des Naturheilvereins Grüna (Foto Rutkewitz, K.Zais)

Die Unterkunftshütte als „Gemälde“ aus dem Jahre 1932 (Foto Rutkewitz, K.Zais)

Die Vereinshütte war damals vom Waldrand aus sichtbar. Der Waldbestand hatte noch nicht die Höhe wie heute, war jedoch wesentlich dichter.

Unterkunftshütte in den 30er Jahren (Blick von Waldrand)

1936 wurden das Grundstück und die Vereinshütte über einen Kaufvertrag durch den größeren Naturheilverein „Prießnitz“ in Grüna übernommen und weitergeführt. Der Verein stellte sich die Aufgabe, die gesundheitliche Volksbildung zu fördern und für das Gemeinwohl durch Hebung der Volksgesundheit zu arbeiten.

Anmerkung: Prießnitz, Vinzenz (1788 - 1851: Begründer der neueren Wasserkur. Er führte die bei der Schulmedizin fast in Vergessenheit geratene Kaltwasserbehandlung ein.

Bereits vorher war der Verein in unserem Ort tätig. 1934/35 wurden von dem Verein im Grünaer Hotel Clauß Vorträge über „gesunde Lebensführung“ und „Gefahren der rauhen Jahreszeit“ veranstaltet. Die Vortragstätigkeit musste durch den Bezirksarzt sowie die Amtshauptmannschaft Chemnitz und den Grünaer Bürgermeister genehmigt werden.

Der Verein führte ein Sommerfest, mehrere Ausflüge sowie eine Prießnitzfeier durch. Im Ort unterhielt er eine Badeeinrichtung, die jedoch im Ausmaß wesentlich bescheidener als die der Stahringerschen Naturheilanstalt war.

Heil- und Kurbad des Naturheilvereins „Prießnitz“, 30er Jahre

Im Naturpark wurden vom Verein einige größere Arbeiten durchgeführt und mehrere Bänke aufgestellt. Die Vereinshütte, damals mit „Unterkunftshalle“ bezeichnet, erhielt u.a. eine größere bessere Lampe.

Mit Beginn des 2. Weltkrieges wurde die Tätigkeit des Vereins durch die nationalsozialistische Regierung eingeschränkt. Alle damals im Deutschen Reichsgebiet bestehenden Prießnitzvereine wurden 1940 in der Reichsarbeitsgemeinschaft der Verbände für naturgemäße Lebens- und Heilweise (RAdV) zusammengefasst und durch das neu geschaffene Organ beaufsichtigt. Der Verein musste 1940 eine Einheitssatzung annehmen, in der er sich verpflichtete, die Maßnahmen des RAdV und die neuen Bedingungen der Bundessatzung einzuhalten. Die Unterkunftshütte wurde zeitweise auch für andere Zwecke genutzt.

1944, ein Jahr vor Kriegsende, löste die nationalsozialistische Regierung schließlich den Verein auf. Der Vorstand des Vereines wurde abberufen und das Vermögen auf den Deutschen Volksgesundheitsbund, Kreis Chemnitz, übertragen.

Mit Kriegsende änderten sich die politischen Verhältnisse. Alle Maßnahmen der nationalsozialistischen Regierung, die die Entwicklung des Naturheilvereines betrafen, wurden hinfällig, auch die neue Einheitssatzung. Bestehen blieb die ursprüngliche Vereinssatzung aus den 1930er Jahren, in der die „Förderung des Kleingartenwesens...“ als Mittel zur Erreichung des Vereinszweckes verankert war. Vermutlich aus diesem Grunde und der zunehmenden Hungersnot in den Nachkriegsjahren legten sich im Jahr 1946 24 Mitglieder des Vereins auf den nördlich gelegenen Teil des Geländes Kleingärten an.

Wenig später, am 28.8.1947 wurde der Verein, dem insgesamt weit über 100 Mitglieder angehörten, aufgelöst. Grundstück und Vereinshütte wurden „Volkseigentum“ und „Eigentum der Gemeinde“. Um ihr Grundstück unter den neuen Bedingungen nicht zu verlieren, mussten die Mitglieder in den „Deutschen Kulturbund“ eintreten. Damit entfiel auch die Einordnung in den Verband der Kleingärtner, Siedler und Kleintierzüchter (ZVSK). Es herrschte eine strenge Gartenordnung. Jeder Gartenpächter sollte sich mit Pflanzenkunde im volkstümlichen Sinne befassen. 1952 betrug die Pacht betrug 5 Pfennig pro Quadratmeter und wurde jährlich zweimal eingezogen. Alle ehemaligen Mitglieder, nicht nur die Kleingärtner, wurden vom Deutschen Kulturbund übernommenen und als Arbeitsgemeinschaft (AG) Natur- und Heimatfreunde künftig weitergeführt. Hauptaufgabe der AG Natur- und Heimatfreunde war 1952 die Erhaltung und Verschönerung des Naturparkes. In vielen freiwilligen Arbeitsstunden erfolgten eine umfangreiche Wiederanpflanzung im Park, u.a. mit einer damals nicht einheimischen Fichtenart, die Ausbesserung und Instandhaltung der durch Diebstahl stark geschädigten Umzäunung des Parks sowie das Ausbessern bisheriger und Anlegen neuer Wege. Viele Heilkräuter wurden gepflanzt und im Waldgelände des Naturparkes Nistkästen für die Singvögel aufgehängt.

Die Tätigkeit der Mitglieder, damals noch als „Naturheilbewegung“ bezeichnet, wurde z. T. in den Dorfwirtschaftsplan 1952 mit eingebunden.

Auch die Vereinshütte wurde weiter ausgestaltet. Ein neues Vorhaus zum Heim entstand sowie eine neue Abortanlage und neuer Abfallplatz. Das Heim konnte durch die Beschaffung neuer Fensterwäsche und vieler neuer Stühle wesentlich verbessert werden.

Vorher, vermutlich kurz nach dem Kriege, war das Heim mit vielen Geweihen und einigen Möbeln ausgestattet worden. Der frühere Eigentümer der Geweihe ist nicht bekannt. Jahre zuvor lagerten sie in einem Raum des einstigen Grünaer Betriebes Sächsische Drahtwerke Franz Langer.

1952 wurde von den ehemaligen Mitgliedern des Vereines ein sehr gut besuchter Vortrag über Heilkräuter, deren Auffinden in Wald und Flur sowie deren Anwendung abgehalten.

Bis zur Jahreswende verblieben noch etwa 120 Mitglieder des früheren Vereines.

Im Juli 1953 veranstaltete die Arbeitsgemeinschaft mit der Musikgruppe des Rathauses ein Heimat- und Kinderfest, was einen sehr großen Erfolg hatte und zu einem wahren Volksfest für unseren Ort wurde. Der damalige Grünaer Bürgermeister Eugen Baldauf berichtete dazu: „… dass jede Veranstaltung im Naturpark ein besonderes Ereignis war und zu einem Anziehungspunkt für unserem Heimatort wurde“.

Auch in den weiteren kommenden Jahren leisteten die Mitglieder im Rahmen des Nationalen Aufbauwerkes (NAW) viele freiwillige Arbeitsstunden. 1954 erfolgte ein weiterer Ausbau des Naturparkes, insbesondere mit Anlegen von Beeten mit einheimischen Heilkräutern sowie von Anpflanzen von Ziersträuchern.

Anmerkung: Das Nationale Aufbauwerk (NAW) der DDR war eine 1951 gegründete Aktion zur freiwilligen und unentgeltlichen Arbeit, im Wesentlichen mit dem Ziel, Bauvorhaben zu realisieren.

Vermutlich 1956 wurde die AG Natur- und Heimatfreunde in AG Natur- und Landschaftsgestaltung umbenannt. In den Dokumenten wird über die Vorbereitung des „in allen Kreisen beliebten Garten- und Parkfestes“ berichtet. Um das Parkfest im Jahre 1956 zu einem Erfolg auszugestalten, wurden besonders die Gartenfreunde verpflichtet, die an ihrem Grundstück gelegenen Wege in bester und sauberster Ordnung zu halten und ihr Stückchen Land vorbildlich für das Fest mit Fähnchen auszuschmücken.

Im Jahr 1959 konnten wiederum 216 Aufbaustunden für die Erhaltung der „Kulturstätte“ gebracht werden. Es mussten Wege instand gehalten, Treppen gebaut und Zäune ausgebessert werden. Auch die größte Anzahl der Gartenstühle musste neu gestrichen werden. In dem Arbeitsbericht wird aufgeführt, dass die damals geringere Stundenzahl darauf zurückzuführen war, dass mehrere Gartenfreunde längere Zeit krank waren, aber dass es auch Gartenfreunde gab, die kein Interesse für die Erhaltung des Parks gezeigt hätten.

Auch in den folgenden 1960er Jahren leisteten die Mitglieder zusammen mit anderen Vereinigungen in Grüna viele Aufbaustunden im Rahmen des NAW.,

Auch die Unterkunftshütte musste in vieler Hinsicht erneuert werden. Es wurden der Einbau neuer Regale für die Küche vorgenommen sowie neue Schränke und Bänke in das Heim gebracht. Weiterhin erfolgte die Erneuerung des Fußboden sowie von Fenstern und Gardinen. Ab Mitte der 60er Jahre wurde die einstige Vereinshütte zeitweise als Gaststätte benutzt. Der Ausschank von Getränken sowie der Verkauf von kalten Speisen, Tabak und Süßwaren erfolgten von Mitgliedern der AG. Man bezeichnete die Hütte damals noch mit „Einkehrstätte Naturpark“. Anfang der 70er Jahre wurde ein neuer Pächter vermutlich vom Kulturbund für die „Gartenkantine“ (erneuter Name!) eingesetzt. Der heutige Begriff „Dachsbaude“ entstand erst später.

1974 erhielt die Sektion „Wandern, Touristik und Orientierungslauf“ der Betriebssportgemeinschaft (BSG) „Motor Grüna“ die ehemalige Vereinshütte einschließlich des Naturparkgeländes zur Mitnutzung. Die Mitglieder der Sektion gestalteten diese sowie das Parkgelände weiter aus und brachten ihre Vorstellungen ein.

Über die weitere Entwicklung der Unterkunftshütte und des Naturparkes unter Mitwirkung der BSG „Motor Grüna“ sowie später der Mitglieder des neu gebildeten Touristenvereins Die Naturfreunde e.V.“ wird in einer der nächsten Ausgaben des Ortschaftsanzeigers 2024 berichtet.

Quellen:

Stadtarchiv Chemnitz, Grüna Akten 150, 305, 307, 308, 338 und 346

Stadtarchiv Chemnitz, Grüna Nr. 827, Bl.127 (dort in Grundakte d. Gemeinde Oberrabenstein, Bl.68 aufgeführt)

Staatsarchiv Chemnitz, Bestand 30104, Akte 725 (Vereinsregister 721)

Dorfwirtschaftsplan 1952 von Grüna. In Chroniken d. Parochie Grüna, S. 13 (am Ende d. Bandes)

Gemeindebericht Grüna 1953 v. Bürgermeister Eugen Baldauf

Akte Grüna: Arbeitsgemeinschaft: Natur- und Heimatfreunde, später Natur- und Landschaftsgestaltung von 1946 bis 1977

Dieser Artikel stammt aus dem Ortschaftsanzeiger Grüna / Mittelbach April 2024

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