Autor: Christoph Ehrhardt (mit Zuarbeit von Michael Neubert)
„Was geschah in Grüna vor 100 Jahren?“, also im Jahre 1924 und der folgenden Zeit. Nach dem Höhepunkt der Inflation 1923 wurde dann 1924 die Goldwährung eingeführt. Das hatte zur Folge, dass die Aufführungen in den Kino- bzw. der Lichtspieltheatern stark zunahmen, verbunden mit der Entwicklung der Kinotechnik.
Diese Entwicklung war damals zumindest für Deutschland in den größeren Städten wie auch in den Landgemeinden nahezu gleich. Die Entwicklung in der Kino- und Filmbranche erreichte in der 2.Hälfte der 20er Jahre gewerbemäßig einen Höhepunkt. Beträchtlich zugenommen hatte die Zahl der Veranstaltungen und Vorführungen sowie der Besucher. Aus diesem Anlass, auch wenn es heute in der 1999 eingemeindeten Ortschaften Grüna und Mittelbach kein Lichtspieltheater mehr gibt, soll in einem Beitrag an die damalige Zeit erinnert und Entwicklung hingewiesen werden.
Die ersten Filme wurden in der Gemeinde Grüna 1918 vermutlich gegen Ende des 1. Weltkrieges gezeigt. Die Vorführungen fanden im sogenannten Helios-Kino an der unteren Eisenbahnhaltestelle (damals mit Bahnhof bezeichnet) in Grüna statt.
Das Kinogebäude war durch Umbau der alten Turnhalle in der Chemnitzer Str. 35 im unteren Ortsteil Grüna geschaffen worden. Es wurden zuerst nur Stummfilme gezeigt, zu denen gesprochen oder Musik dazu gespielt wurde. Einen Film mit Ton gab es noch nicht. In dem Grünaer Lichtspieltheater wurden Lustspiele und Dramen sowie Beiprogramme vorgeführt. Ein Name wird dazu in der Aktenliteratur für Grüna erwähnt, Gustav Weitmüller, der damals führend auf dem Gebiet der Kinematographie war. Es wird berichtet, dass er 1918 zeitweise noch „im Felde“ war.
Altes Foto des Helios-Kinos / Kammerlichtspiele
Ab 1920 bis 1921 übernahmen andere Personen in dem Gebäude die Vorführung von Filmen, einzelne sogar mit selbst erzeugtem Strom. Am 12. Mai !920, war ein Kinogesetz in Kraft getreten, das nur solche Filme für die Vorführung freigab, die u. a. nicht die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdeten, nicht das religiöse Empfinden verletzen, verrohend oder entsittlichend wirken.
2 Filmankündigungen aus einer Ausgabe der Grünaer Nachrichten vom 12.4.1928
In den folgenden Jahren 1922 und 1923 fanden in Grüna keine Filmveranstaltungen mehr statt. Die Gründe sind nicht bekannt, man kann annehmen, dass es mit der Inflation mit ihrem Höhepunkt im Jahre 1923 zusammenhängt. Vergleichend wurden zwar damals in ganz Deutschland immer noch Kinofilme gezeigt, ihre Zahl ging jedoch in den genannten Jahren auf etwa 2/3 zurück. Auch waren auf dem Höhepunkt der Inflation nur noch etwa 2/3 aller Kinos tätig. Nach Einführung der Goldwährung 1924 stieg ihre Zahl wieder auf ihre ursprüngliche Höhe an.
Oberer Gasthof in den 30er Jahren
In Grüna begann man nach 2jährigen Stillstand im März 1924 wieder mit dem Kinobetrieb. Unter der Bezeichnung „Apollo-Lichtspiele Grüna i.Sa.“ wurden im Gebäude des „Oberen Gasthofes“, Chemnitzer Str.178, Spielfilme, meist mit Beiprogramm durch den Vorführer Willy Nadler aus Limbach gezeigt.
Filmankündigungen aus den Grünaer Nachrichten vom 12.4.1928
Filmankündigung aus den Grünaer Nachrichten vom 12.4.1928
Noch in den 20er Jahren kamen weitere Bewerber hinzu. Im Mai 1926 erhielt Max Großmann, der das einstige Kino im unteren Ortsteil Grüna, Chemnitzer Str. 35 aufkaufte, die Erlaubnis, Filmvorführungen in dem Gebäude unter der Bezeichnung „Kammerlichtspiele Grüna“ durchzuführen.
Die Filme wurden in beiden Filmtheatern meistens am Freitag, Sonnabend und Sonntag, vereinzelt auch Donnerstag vorgeführt. Das Bestehen und die Tätigkeit zweier Lichtspielhäuser in Grüna führten in den 20er Jahren zu einen großen gewerblichen Wettbewerb. Die hiesigen Filmvorführer beschwerten sich bei der Amtshauptmannschaft über die Situation in Grüna. Die Behörde jedoch hatte keine gesetzliche Handhabe, die Errichtung eines weiteren Lichtspieltheaters zu verhindern.
Welche Filme damals vorgeführt wurden, ist nicht ganz sicher. Man kann jedoch annehmen, dass es bis in der Mitte der 20er Jahre noch Stummfilme waren, wobei während der Vorführung Musik gespielt wurde, aber auch zum Inhalt gesprochen wurde. Nach einer Einschätzung von Filmexperten gab es aber kaum eine Epoche in der deutschen Filmgeschichte, in welcher so viele Kritiken, Polemik und Abhandlungen zum Thema Film herausgebracht wurden.
Begleitband aus der Stummfilmzeit
Spätestens aber in den 30er Jahren setzte sich der Tonfilm auch in Grüna durch. Ein weiterer Beitrag im Ortschaftsanzeiger wird sich mit der Entwicklung der Grünaer Kinos in den 30er Jahren und danach beschäftigen.
Anmerkungen:
Dieser Artikel stammt aus dem Ortschaftsanzeiger Grüna / Mittelbach Dezember 2024