Langjähriger Familienbetrieb: Selbmann Maler

Langjährige Familienbetriebe in unseren Ortschaften

Der Selbmann-Maler

Es gibt nur wenige Handwerksbetriebe in Grüna und Mittelbach, die länger existieren als die Firma Selbmann-Maler GmbH in Grüna, und sie würde heute in vierter Generation weiterbestehen, wenn nicht 2002 Udo Selbmann, der Ur-Ur-Enkels des Firmengründers Emil Selbmann, plötzlich verstorben wäre, so dass kein Nachfolger aus der Familie mehr existiert hatte. Aber mit Hans-Jürgen Pause, der in der Firma seine Ausbildung zum Meister gemacht hatte, stand ein engagierter und würdiger Nachfolger zur Verfügung.

Aber erst einmal ein paar Worte zur Firmengeschichte: Gegründet wurde das Malergeschäft von Emil Selbmann am 1. April 1904. Also feiert die Firma nur 3 Tage nach Erscheinen dieses Ortschaftsanzeigers ihr 120-Jähriges Jubiläum! Emil Selbmann entstammt einer Strumpfwirkerfamilie, hatte in Limbach Maler gelernt und kaufte 1902 das Haus in der Dorfstr. 60, wo sich noch heute die Firma befindet. Warum 1905 die Adresse in der Werbung Mittelbacher Str. 238D lautet, ist unklar, liegt wohl daran, dass damals die Straßenbezeichnungen und die Hausnummerierungen mit den heutigen nicht übereinstimmen. Die Häuser wurden wohl über den gesamten Ort durchnummeriert.


Werbeanzeige im Einwohnerverzeichnis von Grüna 1905

Emil Selbmann führte das Geschäft bis 1945, hatte zwischenzeitlich bis zu 10 Mitarbeiter. 1945 übergab er an seinen Sohn Erich, der inzwischen ebenfalls Malermeister war. Die Zahl der Mitarbeiter lag zwischen 4 und 6. Erichs Sohn Gotthard, 1936 geboren, wuchs im Geschäft schon als Kind in das Malerhandwerk hinein, wurde folgerichtig Geselle und beendete seine Ausbildung 1960 als Maler- und Lackierermeister.


Emil (links) und Erich Selbmann

1962 übergab Vater Erich dann das Geschäft an Sohn Gotthard. Über alle Jahre der DDR blieb die Firma Selbmann-Maler selbstständig, führte neben privaten Maler- und Tapezierarbeiten auch Aufträge für Betriebe und staatliche bzw. kommunale Einrichtungen aus. Wie jeder private Handwerksbetrieb mussten auch die Selbmanns mit solchen Problemen wie Mangel und minderwertiger Qualität von Werkzeug und Material kämpfen, aber - Not macht erfinderisch – eine Lösung fand sich immer. Und die Preise wurden diktiert von oben, was es schwierig oder unmöglich machte, Mehrarbeit auch abrechnen zu können.


Gotthard Selbmann Meisterbrief Gotthard Selbmann

Mit der Wende 1989/90 änderte sich die Situation drastisch. Der einsetzende Boom bei privaten Neubauten und Renovierungen, bei Sanierung und Bau von Firmengebäuden und öffentlichen Einrichtungen führte zur Vergrößerung der Mitarbeiterzahl auf bis zu 30 Beschäftigte.

Sohn Udo Selbmann, 1963 geboren, stieg schon frühzeitig ins Geschäft ein, legte 1989 seine Meisterprüfung ab und wurde dann 1993 gleichberechtigter Geschäftsführer der GmbH zusammen mit Vater Gotthard. Neben den nach wie vor „kleinen“ Aufträgen im privaten Haus- und Wohnungsbereich kamen auch Großaufträge hinzu, nicht nur in Sachsen sondern deutschlandweit. In näherer Umgebung waren es z.B. das Pegasus-Center und Häuser auf dem Kassberg, in Grüna u.a. der Folklorehof und die Schule.

Und dann kam 2002 der Schicksalsschlag, Udo Selbmann verstarb mit nur 39 Jahren an einem aggressiven Krebs. Vater Gotthard, mittlerweile 66 Jahre als, war gezwungen, allein weiterzumachen. Aber er erinnerte sich an seinen ehemaligen Gesellen Hans-Jürgen Pause, der mittlerweile ebenfalls Meister im Maler- und Lackiererhandwerk war, und fragte ihn, ob er in die Firma einsteigen würde. Hans-Jürgen Pause sagte zu. 2003 übernahm er als alleiniger Gesellschafter die Firma, Gotthard hatte ihm seine Anteile als Starthilfe geschenkt, die Anteile von Udo Selbmann zahlte Hans-Jürgen dessen Erben aus.



Hans-Jürgen Pause Meisterbrief von H.-J. Pause

Hans-Jürgen Pause, „Jahrgang“ 1968, ist in Grüna aufgewachsen, zog dann allerdings der Liebe wegen nach Wittgensdorf, wo er immer noch wohnt. Er begann ein Rinderzuchtstudium in Leipzig, was ihm aber nicht lag, wurde dann 1990 Geselle bei Selbmanns, wo er bis zum Meister 1999 blieb. Danach war er in einer vom Arbeitsamt unterstützten Freiberger Einrichtung als Ausbilder für Maler tätig, bevor ihn 2003 Gotthard Selbmann wieder nach Grüna holte. Das Haus des Firmensitzes Dorfstraße 60 hat der Firmenchef bei Gotthards Ehefrau Eva Selbmann angemietet, die nach wie vor im Vorderhaus wohnt.

Anfangs war es sicher nicht ganz einfach, nunmehr als Chef vor seinen früheren (Mit-)Gesellen zu stehen. Oberstes Ziel ist und bleibt die Erhaltung der Firma und damit die gesicherte Existenz der Mitarbeiter. Außer Hans-Jürgen sind es heute noch 4 weitere Beschäftigte. Und Hans-Jürgens Ehefrau Nadine erledigt neben ihrer eigentlichen Tätigkeit noch Arbeiten im Büro.

Der Chef steht täglich 4:30 Uhr auf, erledigt im Büro noch verschiedene Arbeiten, um dann häufig 6:30 Uhr mit auf die Baustellen zu fahren und selbst mit Hand anzulegen. Ob er auch so streng wie Gotthard Selbmann ist, müssen seine Mitarbeiter beantworten? Gotthard jedenfalls wurde von seinen Gesellen „Bussardauge“ genannt, weil er genau hinschaute, was seine Mitarbeiter produziert hatten und fand deshalb jeden Mangel sofort.

Einmal, 2009, war die Firma kurz vor dem Konkurs. Man hatte einen Großauftrag bei der Firma Kampa-Haus. Diese Firma verzögerte die Zahlung bereits verbauter Materialkosten und der angefallenen Lohnkosten für die Selbmann-Mitarbeiter. Und dann ging Kampa-Haus in Insolvenz. Selbmanns blieben auf 130 T€ Kosten sitzen. Hätte Hans-Jürgen nicht seine private Lebensversicherung eingesetzt und zusätzlich einen Kredit aufgenommen, der lange und schmerzhaft abgezahlt werden musste, gäbe es die Firma heute nicht mehr. Aber man hat es geschafft wieder aufzustehen.

Vielleicht ist das auch der Grund, dass man heute möglichst vor Ort tätig ist und Großaufträge vermeidet? Und auch Privatkunden bevorzugt, die in der Regel auch pünktlich bezahlen, wenn die Arbeit in Ordnung ist. Mit der Kombination von Leistungen außen wie innen, nämlich Putzarbeiten und Dämmungen innen und außen, Malern, Tapezieren und Fußböden ist man weitgehend wetter- und temperaturunabhängig. Nun ja, nicht immer, wie das Beispiel der Grünaer Kirche zeigt, bei der die Firma im Rahmen der Dacherneuerung mit der Sanierung des Kreuzes in mehr als 60 m Höhe beauftragt war – bei Sturm, wo man sich oben anschnallen musste und nicht jeder Mitarbeiter sich dorthin traute. Und auch die Größe des Kreuzes mit 4,50 m Höhe (sieht von unten gar nicht so groß aus) war eine Herausforderung. Mit einer Leiter war es unter diesen Verhältnissen nicht getan.

Und im Ort sind die Selbmänner natürlich auch mit den entsprechend geschmückten Wagen zu den Heimatfesten dabei, wie bei den 725- und 750-Jahrfeiern. 


Festwagen zur 725-Jahrfeier 1988


Festwagen zur 750-Jahrfeier 2013

Das leidliche Problem mit Lehrlingen, was nahezu jede Branche betrifft, ist auch hier spürbar. Zurzeit wird kein Lehrling ausgebildet, wobei aber nach wie vor Interesse an der Nachwuchsförderung besteht

Das Engagement des Chefs für seine Leute und die Firma ist bei unserem Besuch spürbar geworden. Wir wünschen weiterhin viel Erfolg der Firma und persönlich Hans-Jürgen Pause. Und wie sieht es mit der Nachfolge aus? Noch hat Hans-Jürgen mehr als ein Jahrzehnt bis zur Rente vor sich. Und sein Sohn geht noch aufs Gymnasium, hat noch nicht über seinen zukünftigen Weg entschieden.

Anwesend bei unserem Besuch war übrigens auch die Tochter von Gotthard und Eva Selbmann, Heike Schädlich, die in Mittelbach ein Frisörgeschäft betreibt. Frau Schädlich konnte uns viel zur Familiengeschichte berichten. Vielen Dank beiden!

Bernd Hübler und Ulrich Semmler

Dieser Artikel stammt aus dem Ortschaftsanzeiger Grüna / Mittelbach April 2024

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