1892 Die Errichtung Stahringers Naturheilanstalt in Grüna

1892 Die Errichtung Stahringers Naturheilanstalt in Grüna

Das Alten-und Pflegeheim „Am Wald“

an der Rabensteiner Str. 14 feiert in diesem Jahr das 125jährige Bestehen. 1892/93 ließ der Naturheilpraktiker Georg Bertrand Stahringer am Südrande des Rabensteiner Waldes in unmittelbarer Nähe des heutigen Forsthauses Grüna (damals Schützenhaus) seine Naturheilanstalt errichten. Die Entwicklung von der einstigen Kuranlage zum heutigen Alten- und Pflegeheim war mit einer sehr wechselvollen ereignisreichen Geschichte verbunden.

Nachfolgend soll über den ersten Zeitabschnitt - das Leben und Wirken Bertrand Stahringers sowie die Errichtung seiner Naturheilanstalt bzw. des Sanatoriums „Bad Grüna“ in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts berichtet werden.

Über das Geschehen wurde bereits in den zurückliegenden Jahren geschrieben. Eine erneute Schilderung erscheint trotzdem gerechtfertigt, da zur Geschichte der Naturheilanstalt wie auch zur Person Stahringers neue Erkenntnisse aus weiteren, bisher nicht bekannten Akten und Literaturquellen gewonnen werden konnten.

Die Geschichte beginnt mit der Person Bruno Bertrand Stahringer, dem Gründer der Naturheilanstalt. Er lebte in einer Zeit wachsenden wirtschaftlichen Aufschwungs und zunehmender Industrialisierung, die jedoch vor allem in den größeren Städten (wie damals im sog. „Ruß-Chemnitz“) auch zu ungesünderen Luft-, Wohn-, Arbeits- und Lebensverhältnissen führten. Zunehmend schlossen sich die Menschen Vereinen der Naturheilbewegung an, die die Erhaltung und Wiederherstellung der Gesundheit unter Vermeidung von Medikamenten und Arzneimitteln zum Ziel hatte.

Das Wirken Bertrand Strahringers vor der Errichtung der Naturheilanstalt in Grüna

Stahringer, geboren am 29. April 1852 in Burgstädt, beschäftigte sich in seiner Freizeit aufgrund der Erkrankung seiner Verlobten und späteren Frau Anna, die an Blutarmut und Darmbeschwerden litt, zunehmend mit Naturheilkunde. Die Anregung dazu erhielt er von einem Bekannten, der die Krankheit seiner Verlobten dianostiziert hatte. Stahringer eignete sich im Selbststudium auf diesem Gebiet viele Kenntnisse an und konnte nach geraumer Zeit seine Verlobte wieder gesund kurieren, was den Ärzten bisher nicht gelungen war. Dies sprach sich in seiner Heimatstadt Burgstädt herum. Stahringer wurde bekannt und zunehmend von anderen Kranken konsultiert, was ihn weiter anspornte, sich mit dem Naturheilverfahren zu befassen. Er wollte schließlich Naturheilpraktiker von „Gottes Gnaden“ werden.


Stahringer besaß für diese Heiltätigkeit große Fähigkeiten und Geschick. In seinem Tagebuch wird geschrieben, dass er die Gabe hatte, durch persönliches Einfühlungs- und Anpassungsvermögen und in Vertrauens erweckenden Aussprachen die seelischen und körperlichen Probleme seiner Patienten zu erkennen und durch spezielle naturgemäße Behandlungsmethoden oft wirkungsvoll zu therapieren. Um sein Wissen weiter zu vertiefen, nahm er 1874 in der Schweiz an Aus- und Weiterbildungen bei bekannten Heilpraktikern teil. Stahringer, der kein studierter Arzt war, unterzog sich bewusst zusätzlichen Prüfungen durch studierte Ärzte. Er bestand diese mit „sehr gut“ und versuchte damit auch möglichen Kritiken dieser Ärzteschaft vorzubeugen.

Nach seiner Rückkehr aus der Schweiz musste er zunächst seine frühere berufliche Tätigkeit als Strumpfwirker wieder aufnehmen. Zusätzlich führte er in Burgdtädt „gewerbliche Wasserkuren“ durch. Nach wenigen Jahren in seiner Heimatstadt wurde er jedoch durch die zunehmende Behandlung von kranken Bürgern so stark in Anspruch genommen, dass er sich ausschließlich nur noch mit der Naturheiltätigkeit beschäftigen konnte. Am 5. Juli 1882 gründete er in Burgstädt einen zweiten Verein für Naturheilkunde. Er hielt viele Vorträge, allein im Jahre 1882 zu 12 unterschiedlichen Themen der Naturheilkunde.

Ende des Jahres richtete er noch in seiner Burgstädter Wohnung öffentliche „Dampf- und Wasserbäder“ für die Einwohner des Ortes und der Umgebung ein, die er jedoch durch seinen nachfolgenden Umzug nach Chemnitz schnell wieder an andere Betreiber übergeben musste. Sein Wirkungskreis war immer größer geworden. Durch seine Initiative wurden im Verlaufe der Zeit 14 weitere Naturheilvereine in der Umgebung gegründet, u.a. in Burkhardtsdorf, Einsiedel, Frankenberg, Freiberg, Hohenstein-E., Meißen, Penig, Reichenbrand.

Stahringer wurde so bekannt, dass er aufgefordert wurde, den großen über 350 Mitglieder umfassenden Chemnitzer Naturheilverein zu leiten. Es kam jedoch nicht dazu. Dem damaligen 2. Vorsitzenden Wilhelm Reppert wurde 1882 die Vereinsleitung übertragen. Stahringer übernahm die dortige Vereinsklinik, die er in den folgenden Jahren ohne jede Entschädigung in uneigennütziger Weise bis 1890 weiter betrieb und verbesserte. Im Chemnitzer Adreßbuch wurde er als Empiriker und Badeanstalt-Inhaber bezeichnet. Er wohnte in Chemnitz auf der Wiesenstraße, später am Johannisplatz. Möglicherweise sammelte er dort schon erste Erfahrungen für seine späteren Pläne, eine eigene Kuranstalt zu errichten.

Stahringer konnte sich in der neuen Position in Chemnitz gut entfalten. Er vergrößerte seine Praxis stark. Westlich der Stadt ließ er das erste damalige Sonnenlichtbad bauen, da er zur Auffassung kam, dass das Sonnenlicht ein außerordentlicher Heilfaktor ist. Die Einrichtung wurde so stark benutzt, so dass er diese bald auf das Dreifache vergrößern musse. Größte Heilerfolge erzielte er bei der 1887 in Chemnitz herrschenden Typhus- und Diphtherie-Epidemie. Nicht wenige der erkrankten Bürger behandelte er kostenlos, da ein Teil der Patienten nicht bezahlen konnten. Er betrachtete es damals als seine größte Leistung.

Im 1. Chemnitzer Naturheilverein (es gab noch einen 2. Chemnitzer Verein für Naturheilkunde) kam es zwischen Bertrand Stahringer und Wilhelm Reppert zu einer engen Zusammenarbeit. Für seine Verdienste wurde Stahringer schließlich 1890 zum Ehrenmitglied des Naturheilvereins in Chemnitz ernannt.

Aufgrund von Überarbeitung musste er jedoch seinen Chemnitzer Wirkungskreis wieder aufgeben. Er übernahm die Kuranstalt in Ottenstein-Schwarzenberg, die er bis 1892 weiterführte.

Die Errichtung Stahringers Naturheilanstalt in Grüna

1892 ergab sich für Stahringer die Gelegenheit, eine eigene Naturheilanstalt zu errichten. Von mehreren angebotenen Standorten in verschiedenen Gemeinden wählte er Grüna aus, das von der Lage her die besten und geeignetsten Bedingungen bot. Er kaufte im Mai 1892 das damalige „Schützenhaus“ mit weiteren südlich gelegenen Grundstücken, um dort die neue Kuranstalt zu errichten. Das auch mit „Schießhaus“ bezeichnete Gebäude wurde wenige Jahre später in Restaurant „Bad Grüna“ umbenannt. Heute befindet sich auf dieser Stelle das neue, wesentlich größere Forsthaus Grüna.

Am 5. Mai 1892 fand der erste Spatenstich zum Bau der Naturheilanstalt statt. Finanziert wurde das Unternehmen im wesentlichen durch eine in Chemnitz gebildete Kommanditgesellschaft mit Anteilscheinen von je 1000.- Mk., in die „Freunde und Gönner“ einzahlten, aber auch durch eigene Mittel. Nach Erlangung der staatlichen Erlaubnis durch die Amtshauptmannschaft Zwickau wurde in Anwesenheit vieler Einwohner von Grüna, Limbach und Umgebung sowie zahlreichen Mitgliedern des Chemnitzer Naturheilvereins am 13. Juni 1892 im damaligen Schützenhaus die Feier zur Grundsteinlegung begangen. Die Festrede hielt nicht Stahringer, sondern Wilhelm Reppert, der Vorsitzende des 1. Chemnitzer Naturheilvereins, der auch Besitzanteile an der Kuranstalt besaß.

Im gleichen Jahr, am 16. Juni 1892, gründete Stahringer in Grüna den Naturheilverein, um die Öffentlichkeit für sein Vorhaben zu gewinnen. Ihm kam es auch darauf an, die „rechte Kenntnis vom Wesen der naturgemäßen Gesundheitspflege und Naturheilkunde“ herauszustellen. Schon damals herrschte ein Streit zwischen den studierten Ärzten (später der „Schulmedizin“) und Naturheilpraktikern (Vertretern der „Naturmedizin“) um die richtigen Behandlungsmethoden. Dieser Zwist nahm in den folgenden Jahren weiter zu. In der Satzung des Naturheilvereines wurde dazu Stellung genommen und zum Ausdruck gebracht,...„mit allen gesetzlichen Mitteln für die Naturheilmethode diejenigen Rechte vom Staate zu erkämpfen, auf welche sie durch ihre Erfolge einen wohlbegründeten Anspruch hat.“

Dem Naturheilverein waren damals 76 Grünaer Bürger und ein Chemnitzer beigetreten, darunter viele Gewerbetreibende und andere einflussreiche.Bürger aus der Gemeinde, wie Oberförster, Postverwalter, Eisenbahnhaltestellen- und Schulvorsteher. Die Mitgliederzahl des Vereins stieg in den folgenden Jahren um 10 %.

Noch im Verlauf des Jahres 1892 wurde das aus zwei Gebäudeteilen bestehende und mit einem Türmchen versehene Kurgebäude durch die Grünaer Baufirma Schreiter. vermutlich im Rohbau, fertiggestellt. (Anmerkung: Strohbach schreibt von Wilhelm Schreiter, der das Gebäude der Naturheilanstalt errichtet hatte, nicht Robert Schreiter, der in Grüna wesentlich bekannter war.) Beide waren Brüder und Mitglied im damaligen Naturheilverein. Stahringer war mit Wilhelm Schreiter verwandt. Der Grünaer Bauunternehmer hatte Stahringer empfohlen und dafür geworben, in Grüna seine Kuranstalt errichten zu lassen. (Chronik 1892) Strohbach S.13,14)

Das damals im Schweizer Stil errichtete Hauptgebäude ist heute noch im wesentlichen erhalten. Auf dem Kurhaus fehlt nur das kleine Türmchen, von welchem aus Stahringer jeden Morgen zur Andacht mit der Trompete geblasen haben soll.


Am 26. Februar 1893 konnte das Kurgebäude erstmals besichtigt werden, etwa 1500 Einwohnern waren gekommen. Bereits am 2. März 1893 zogen vier Gäste ein. Am 4.April 1893 fand die Eröffnungsfeier dazu statt. An diesem Tag waren schon weitere 24 Gäste eingetroffen. Die Besucherzahl stieg nach der Eröffnung weiter stark an.

1894 mussten die Baderäume vergrößert werden. Noch im gleichen Jahr ließ Stahringer die etwas abseits gelegene „Villa Margarethe“ errichten, um die steigende Besucherzahl aufzunehmen. Das auch mit „Ärztehaus“ bezeichnete Gebäude wurde sofort mit 24 Heilungssuchenden besetzt. Ab 1. März 1895 ging die ganze Kuranstalt schließlich in den alleinigen Besitz Stahringers über. Der Gründer der Anstalt konnte bis dahin alle eingegangenen Obligationen zurückzahlen. Die Einnahmen waren ausreichend und gestatteten eine weitere erfolgreiche Entwicklung

(Fortsetzung in der nächsten Ausgabe mit der Beschreibung der Naturheilanstalt)

Dieser Arikel stammt aus dem Ortschaftsanzeiger Grüna / Mittelbach Juni 2018

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