1910 Gründung der Spar- und Baugenossenschaft

1910 Gründung der Wohnungsbaugenossenschaft

Am 24. April 1910 wurde in unserem Ort der Spar- und Bauverein Grüna gegründet. Aufgabe des Vereines war es, der damals „herrschenden Wohnungsnot durch die Errichtung guter, gesunder und billiger Arbeiterwohnhäuser abzuhelfen." Der Verein, später die Wohnungsbaugenossenschaft, hat in den folgenden Jahren zahlreiche größere Wohnungsbauten geschaffen und damit in umfangreichem Maße beigetragen, den Wohnungsmangel im Ort zu mindern.In der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts führte die rasch wachsende Bevölkerung in den Städten und Gemeinden des Landes zu einem ständigen Mangel an Wohnungen und Unterkünften. Die überall spürbare Wohnungsnot vor allem unter der arbeitenden Bevölkerung, verbunden mit Wohnungsspekulation und ungesunden Wohnverhältnissen, ließ den Gedanken aufkommen, gemeinsam aus eigener Kraft Wohnungen zu schaffen. Zur Jahrhundertwende hatten sich in unserer Umgebung erste Spar- und Bauvereine gebildet. Übergeordnete Behörden erkannten die Notwendigkeit und trugen das Vorhaben an weitere Gemeinden heran. Auch in der Grünaer Arbeiterschaft keimte und reifte der Genossenschaftsgedanke. Von der königlichen Amtshauptmannschaft Chemnitz wurde das Bestreben zu gemeinsamer Tätigkeit befürwortet und dafür geworben, das Vorhaben zu unterstützen. Das damalige sächsische Innenministerium verwies auf den „erleichterten Erwerb von Grundbesitz für die unbemittelten Klassen" und die Errichtung von „Arbeiterkolonien" in den Gemeinden. Alle an den Gemeinderat gerichteten Vorschläge zeigten keine Wirkung. So dauerte es noch mehrere Jahre bis es zu einer konkreten Vereinsbildung kam. Der spätere Bürgermeister Eugen Baldauf berichtete in seinen Erinnerungen über die Aufbruchsstimmung zur damaligen Zeit: „... Die sich in unserem Ort seit dem Jahre 1909 in den Hirnen nicht der Schlechtesten in unserer Bewegung erarbeitete Zielsetzung, die Gründung einer von der Arbeiterschaft gelenkten und geleiteten Baugenossenschaft, ließ uns nicht mehr zur Ruhe kommen. So fuhr ein kleiner Kreis von begeisterten Genossen des Sonntags in kleinen Trupps auf Fahrrädern und ganz auf eigene Kosten in die etwas von uns abgelegenen Gemeinden, in denen bereits Genossenschaften bestanden, um sich Rat und Aufklärung zu holen. Der ganz reale nüchterne Gedanke, aus eigener Kraft die Wohnungsnot beheben zu helfen, dem oft anmaßenden Benehmen so mancher Hauspaschas gegenzusteuern, beseelte alle Mitwirkenden..." Am 9.April 1910 trafen sich etwa 50 Personen in „Helbigs Gasthaus" (Oberer Gasthof Grüna) zu einer Versammlung mit dem Ziel, eine Baugenossenschaft für Grüna zu gründen. Eine Kommission aus den Herren Ewald Viertel, Karl Uhlmann und Otto Oebser sollte die weiteren Vorarbeiten wie die Statutenausarbeitung zur Gründung durchführen. Geplant war, Anteilscheine in Höhe von 100.- M auszugeben. Am 18.April 1910 richtete wieder die Chemnitzer Amtshauptmannschaft ein Schreiben an den Gemeindevorstand, „...daß sie der Genossenschaftsgründung mit Interesse entgegensieht und von dem Fortgange der gemeinnützigen Bestrebung des Vereins und etwaigen Erfolgen unterrichtet bleiben möchte." Am 24. April 1910 fand in „Heydes Gasthof Grüna" (Kulturhaus Grüna) die Gründungsversammlung statt. Als Vorsitzender wurde Ewald Viertel gewählt. Zum Vorstand gehörten weiterhin Max Bauer und Albin Schletter, später auch andere. Im Aufsichtsrat waren Max Dienewald, Otto Storch, Adolf Hoffman, Robert Fritzsche, Karl Uhlmann, Otto Oebser und Herr Helbig. Die Namen änderten sich ebenfalls danach. Vorstand und Aufsichtsrat nahmen sofort ihre Tätigkeit auf. Vorerst vollzogen 24 Genossen ihren Beitritt, da trotz des relativ geringen Beitrages von 100 M es nicht jedem möglich war, diesen Anteil sofort zu zahlen. Baldauf berichtete: „...Obwohl auch unter den jüngeren Einwohnern ein lebhaftes Interesse für die Beschreitung des neuen Weges gezeigt ward, blieb doch den meisten der Beitritt zunächst noch verschlossen. Die sofortige Zahlung eines Anteiles von 100 Mark war zur damaligen Zeit nicht jedem gleich möglich. Vor allem dann, wenn die erst neu Verheirateten um die Gründung ihrer Familie rangen. So wurde dann unter all denen, die Interesse für die zu bildende Genossenschaft zeigten, ein allsonntägliches Sparen von kleinen Beiträgen eingerichtet, um nach der Erreichung eines gewissen Teilbetrages die Mitgliedschaft in der Genossenschaft erwerben zu können..." Am 28. Mai 1910 fand eine weitere Versammlung des Bausparvereines mit 60 Teilnehmern in Helbigs Gasthof mit Vortrag über Zweck und Nutzen der Baugenossenschaft statt. Insbesondere ging es darum, wie das erforderliche Geld für die Bautätigkeit beschafft werden kann. Es sollten auch vorrangig Wohnungen für Familien mit Kindern belegt werden, da damalige Hausbesitzer ihre Mietwohnungen ungern an kinderreiche Familien vermieteten. Nachdem am 12. August 1910 die Gründung rechtlich anerkannt war, konnte das Ziel, Wohnungen zu bauen, in Angriff genommen werden. Die weitere Tätigkeit war nicht leicht. Oft war von Außenstehenden kein Verständnis dafür vorhanden. Ausführende oder Beteiligte wurden auch beschimpft, verlacht, verspottet, angepöbelt und als Phantasten bezeichnet. Auch die Gemeindevertretung war nicht bereit, irgendwelche Unterstützung zu gewähren. Besonders der damalige Haus- und Grundbesitzerverein, dessen Vertreter dem Gemeinderat angehörten, war strikt dagegen und wünschte keine „einsei-tige" Bevorzugung des Vereines. Mit seiner Stimmenmehrheit lehnte er jedes Gesuch ab. Doch die fortschrittlich eingestellten Arbeiter - damals mit Genossen bezeichnet - ließen sich von ihrer Idee nicht abbringen. Es muss wahrlich schwer vorstellbar gewesen sein, wie durch das Einsammeln von Spargroschen der Wohnungsbau voran gebracht wer-den sollte. Die sächsische Regierung und andere übergeordnete Organe hatten die Erfahrung bereits bestehender Baugenossenschaften und den Nutzen von Neugründungen erkannt. Deshalb empfahlen sie ihren Gemeinden wiederholt, die Bauvereine zu unterstützen, um Aufnahme von Hypotheken zu ermöglichen. Doch In Grüna fand sie kein Gehör. Bürgermeister Eugen Baldauf erinnerte daran: „...Eine geradezu erbärmliche Handlungsweise legten die bürgerlichen Gemeindevertreter an den Tag. Die sog. Väter der Heimat lehnten aufgrund ihrer Klassenvorrechte begründeten Mehrheit im Gemeindeparlament jede Unterstützung und Förderung der Genossenschaft ab. Diese Handlungsweise wird als Schandmal für alle Zeiten gelten, wenn man von der tapferen Arbeit der Genossenschaft sprechen wird. Aber der Gedanke, der einmal die Massen ergreift, wird zur unwiderstehlichen Gewalt..." Trotz fehlender Unterstützung durch den Gemeinderat schritt man zur Tat. Bereits ein Jahr nach der Gründung wurde das erste Haus mit acht Wohnungen gebaut. Die Mitgliederzahl war inzwischen auf 41 gestiegen. Dem Gebäude auf der August-Bebel-Straße 21 (damals Bahnhofstraße) folgten 1912 das Haus Nr. 23 mit neun Wohnungen und wiederum ein Jahr später das Haus Nr. 25 mit acht Wohnungen. Insgesamt 25 Wohnungen - ein schöner Erfolg. Die Stimmen der Spötter und Neider waren endgültig verstummt. Der Vorstand hatte es geschafft, trotz der abgelehnten Zinsgarantie die Landesversicherungsanstalt Sachsen mit einer hohen Hypothek für die Finanzierung zu gewinnen. Weitere finanzielle Beiträge wurden durch Geschäftsguthaben der Genossenschaftler aufgebracht bzw. kamen vom gegründeten Bausparverein. Damit war die Finanzierung des ersten Bauabschnittes an der Bahnhofstraße gesichert worden. Der Ausbruch des ersten Weltkrieges 1914 führte zur Einstellung der Bautätigkeit, alle Baupläne wurden zunichte gemacht. Auch nach Kriegsende 1918 ruhte jede Bautätigkeit. Während der Inflation 1923/24 lösten sich die Geldvermögenswerte in ein Nichts auf. Es mußten weitere Jahre vergehen, bis 1926 die Zeit für einen Neubeginn kam.

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