Ein Relikt aus vergangener Zeit

Ein Relikt aus vergangener Zeit

Christoph Ehrhardt, Ortschronist von Grüna

Am östlichen Ende von Grüna, im Rabensteiner Wald etwa 100 m östlich vom Alten- und Pflegeheim „Am Wald“, befindet sich ein etwa 100 Jahre altes z.T. verkommenes Steintor .


Das Tor liegt an einem in einer alten Flurkarte mit „Schneise“ bezeichneten Weg, der von Norden her kommt und südwärts nach einer Gabelung zur Riedstraße wie auch zum Ende der Dorfstraße in Grüna führt. Es steht am Rande eines Waldstückes, das im Jahr 1905 durch die Leitung des Sanatoriums „Bad Grüna“ GmbH der königlichen Rabensteiner Forstverwaltung abgekauft wurde (siehe Flurkarte). Der Eingang des Tores zeigt in Richtung des Alten- und Pflegeheimes. Bisher konnte das in der Nähe des früheren Sanatoriums „Bad Grüna“ stehende Tor in älteren Karten nicht gefunden und identifiziert werden. Es war auch nicht bekannt, wann und von wem es errichtet wurde.



Das damalige gekaufte Waldstück umfasste eine Fläche von 37000 qm und sollte als Ersatz für das von der staatlichen Eisenbahngesellschaft beschlagnahmte Gelände des Sanatoriums dienen, über welches die 1897 eröffnete Eisenbahnstrecke nach Limbach führte. Ursprünglich war das Gelände nach Aussagen eines Zeitzeugen auch umzäunt. Nach Berichten von Horst Strohbach und Carl May war bereits im Jahre 1961 kein Zaun mehr vorhanden. Da keine weiteren Informationen und Hinweise zu dem Steintor bisher gefunden wurden, muss angenommen werden, dass möglicherweise ein geschichtlicher Zusammenhang zu dem damals existierenden Sanatorium „Bad Grüna“ besteht. Nachfolgend soll deshalb ein kurzer geschichtlicher Überblick über die Entwicklung des Sanatoriums „Bad Grüna“ dazu gegeben werden (ausführlich wurde die Geschichte des Sanatoriums und des späteren Alten- und Pflegeheims in den Ortschaftsanzeigern 3/2018, 4/2018, 6/2018, 2/2019 und 6/2019 dargestellt):

In den Jahren 1892/93 ließ der Naturheilpraktiker Bertrand Stahringer in Grüna in der Nähe des früheren Forsthauses am Waldrand eine Naturheilanstalt errichten. Aufgrund seines Geschickes und Können wie auch seiner Heilerfolge nahm die Heilanstalt in den folgenden Jahren bis zur Jahrhundertwende eine erfolgreiche Entwicklung. Die Zahl von Besuchern und Gästen stieg ständig. Zeitweise mussten die Kurgäste sogar in umliegenden Häusern des Ortes untergebracht werden.

Die erfolgreiche Entwicklung erweckte jedoch zunehmend auch den Argwohn und möglicherweise Konkurrenzneid in der „studierten“ Ärzteschaft (auch mit „Schulmedizin“ bezeichnet) und anderen Berufskreisen. Damals herrschte ein z.T. erbitterter Glaubenskrieg über die richtigen Behandlungsmethoden und Heiltherapien unter den Naturheilkundlern und Ärzten. Die Ärzteschaft warf den Naturheilpraktikern mangelnde Kenntnisse und „unwissenschaftliche“ Arbeitsmethoden vor. Gleichzeitig war der Einfluss der Ärzte auf Gesetzgebung in Regierungskreisen gestiegen. Gegen Stahringer und seine Naturheilanstalt wurden verschiedene Maßnahmen und Verbote erlassen. Er durfte als Unstudierter keinen Einfluss mehr auf seine Heiltätigkeit nehmen und musste fortan andere Ärzte in seinem eigenen Haus einstellen und musste seine Naturheilanstalt in Sanatorium „Bad Grüna“ umbenennen, wobei sein Name nicht mehr in Erscheinung treten durfte.

Aufgrund fortwährender Hemmnisse, geistiger Überlastung und Überarbeitung trat Stahringer als Vorsitzender des damaligen Naturheilvereins zurück. Er musste seine Naturheilanstalt in eine GmbH umwandeln und gab die Leitung in andere Hände.

1897 wurde die Eisenbahnstrecke von Wüstenbrand nach Limbach in Betrieb genommen, die über sein Grundstück führte. Stahringer wurde daraufhin von der staatlichen Eisenbahngesellschaft mit einer hohen Kaufgeldforderung von 100000.-Mk belastet, die er nicht abzahlen konnte.

Ungeeignete ärztliche Behandlung und Betreuung der Kurgäste wie schlechte wirtschaftliche Leitung des Sanatoriums führten bald dazu, dass die Besucherzahl sank. Auch der gute Ruf des Sanatoriums ging verloren.

In den Jahren 1904/05 wurde nochmals von der Leitung des Sanatoriums als GmbH der Versuch unternommen, das Heim wieder auf die wirtschaftliche Höhe wie vorher zu bringen. Man begann, das ganze Heim zu renovieren. Es wurde der Speisesaal vergrößert und der Umbau der Baderäume in Zellen vorgenommen. Im Jahr 1905 kaufte man eine über 37000 qm große Waldfläche für die Kurgäste dazu. Vermutlich hat man auch das jetzt noch vorhandene Eingangstor auf dem Waldgelände errichtet. Das Sanatorium wurde umbenannt in Waldsanatorium.

Stahringer wurde gebeten, ab 1905 nochmals die wirtschaftliche Leitung vertraglich für 2 Jahre zu übernehmen. Die Eröffnung erfolgte am 1. April 1905. Trotzdem konnte in den folgenden Jahren ein weiterer wirtschaftlicher Rückgang nicht verhindert werden, vor allem auch durch die Nachfolge „unfähiger Ärzte“ (nach Aussagen des Sohnes Fritz von Bertrand Stahringer).

Die Besucherzahl und die Wirtschaftlichkeit des Heimes sanken weiter bis zur Unrentabilität. 1912 erfolgte der finanzielle Zusammenbruch. 1913 wurde das in Konkurs gegangene Heim schließlich versteigert.

Die anfangs überaus erfolgreiche Entwicklung von Stahringers Naturheilanstalt war zu Ende gegangen – zum Bedauern Grünaer Bürger und Vereine. Geblieben sind das einstige Kurhaus im Schweizer Stil und das um 1905 errichtete Eingangstor.

Christoph Ehrhardt, Ortschronist von Grüna


Quellennachweise:

  • StadtA Chemnitz, Grüna, Akte 651

  • Grundakten d. GBA Chemnitz, Grüna Bl. 587/314 und 177 hist.

  • Texte eines Lichtbildervortrages des Jahres 1961 von Fritz Stahringer,

Dieser Artikel stammt aus dem Ortschaftsanzeiger Grüna / Mittelbach Dezember 2021

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