Im Gespräch: Brunhilde Richtsteiger

„Einer für alle – alle für einen!“ Dieser Leitspruch ist wohl in keinem anderen Grünaer Verein im Ernstfall so überlebenswichtig wie bei der Feuerwehr. Kameradschaft und Disziplin haben Vorrang, jeder muss sich darauf verlassen können, dass sein Nebenmann richtig handelt. Diese Verhaltensweise brachten die erfahrenen Kameraden den Neuen als allererstes bei.

 

Im Gespräch mit Hans May und Brunhilde Richtsteiger

 

„Warum ich? Ich wollte nie eine Funktion in der Freiwilligen Feuerwehr Grüna“, widerspricht Hans May, als wir ihn um dieses Gespräch bitten. Für uns war ausschlaggebend, dass er für jene Familien steht, deren Männer in mehreren Generationen in der FFW sich dafür einsetzten, Menschenleben und Hab und Gut zu retten. Er erinnert sich an die Erzählungen seines Vaters und hat die Geschichte der Grünaer Wehr in über 60 Jahren miterlebt (in den letzten Jahren als Vater des Wehrleiters Mathias May).

Erinnerungen an die Kindheit werden bei Hans May, dem gelernten Klempner und Installateur, wach. „Wenn das Signal ‚Feueralarm‘ geblasen wurde, eilte unser Vater davon. Ich und andere Schulfreunde hinterher, um kein ‚Abenteuer‘ zu verpassen. Außerhalb der Gefahrenzone durften wir zuschauen, schließlich wünschte sich wohl jeder Feuerwehrmann, dass wir Söhne auch mal zur Wehr gehen. Mit zunehmendem Alter wuchs die Achtung vor den Leistungen der Kameraden.“

Feueralarm „geblasen“? Herr May klärt uns auf: Sirenen gab es noch nicht. Die Feuermeldestelle war bei Auto-Rössler. Frau Rössler blies das Signal in alle Richtungen, die anderen Hornisten, die über den Ort verteilt wohnten, bliesen den Alarmruf weiter, so dass alle alarmiert wurden und meist mit dem Fahrrad zum Einsatzort eilten. So war Frau Rössler eigentlich die erste Frau in der Wehr, denn ihr Mann konnte inzwischen die Schutzuniform anziehen, das Auto aus seiner Garage holen und zum Wehrplatz fahren.

Bei Kriegsende war Hans May elf Jahre alt. Er hat mitbekommen, dass viele zur Wehrmacht eingezogen wurden und nicht alle wiederkamen. Zur Feuerlöschpolizei, wie es damals hieß, wurden Jungs „dienstverpflichtet“, die noch zu jung für den Kriegseinsatz waren. Einige von ihnen blieben der Feuerwehr als sehr aktive Kameraden treu.

1951 war er alt genug, gemeinsam mit Manfred Richtsteiger und Günter Baldauf wurde er in die Freiwillige Feuerwehr Grüna aufgenommen. Die erfahrenen Kameraden kümmerten sich um die Jungen. Die Handhabung der Geräte gehörte natürlich zur Ausbildung. Damals fuhr noch der „Presto“. Schon sein Vater hatte stolz erzählt, wie dieses Fahrzeug in Eigenleistung bei Auto-Rössler zum geschlossenen Fahrzeug (dem ersten in der Region) umgebaut worden war. Eingeschoben werden konnte die Motorspritze, die 1931 von der Firma Flader in Jöhstadt abgeholt wurde. Beides war über 20 Jahre im Einsatz. Der Presto konnte 1954 technisch nicht mehr zugelassen werden.

„Zwei Jahre hatte die Feuerwehr kein Auto! Hier bewährte sich die Dorfgemeinschaft, denn die Grünaer Spediteure und Firmen halfen. Am meisten im Einsatz war wohl Kurt Müller mit seinen Fahrzeugen. Bei Alarm kamen sie so schnell wie möglich zum Feuerwehrplatz. Wir haben die bereitliegenden Geräte, Schaufeln, Schläuche, Haken usw. aufs Auto geworfen, der Hänger mit der Spritze kam hinten ran. Die Mannschaft fuhr irgendwie auch mit.“ 1956 erhielt die Wehr ein gebrauchtes Feuerwehrauto Marke „Audi“.

Und es brannte in Grüna: 1954 wieder in der Flachsfabrik. Großeinsatz am Ostersonnabend 1955 das Holzsägewerk der Firma Schreiter. 1966 hatte der Blitz in das Egergut (Feldstraße) eingeschlagen. Das Wohngebäude Bergstraße 5 wurde 1978 durch Brand vernichtet.

Wer hat sich außerhalb der Feuerwehr-Familien mal Gedanken gemacht, was neben der körperlichen Fitness ein gut ausgebildeter Feuerwehrmann an Wissen braucht? Hans May erklärt: „Die praktische Seite, z.B. die Gerätebedienung, sieht jeder bei Einsätzen oder bei Vorführungen. Die taktischen Kenntnisse sind genauso wichtig: Wie verhalten sich z.B. Baustoffe im Feuer? Holz hört man knistern und knacken, mit Erfahrung kann man einschätzen, wie lange es noch hält. Eine Stahlkonstruktion bricht bei derartiger Hitze ohne Vorwarnung zusammen. Wie verhalten sich andere Substanzen? In Chemie und Physik braucht der Feuerwehrmann die Grundkenntnisse eines Ingenieurs.“

Hans May erinnert sich gern an die Jahre 1954 bis 1957, als er bei der Berufsfeuerwehr war (Manfred Richtsteiger von 1953 bis 1990) und bei Einsätzen als Feuerwache im Kulturpalast hinter den Kulissen berühmte Künstler ohne Allüren kennenlernte. Er weiß viel zu berichten von Einsätzen im Winter, wenn die anfangs ungummierten Schläuche steif waren und weich getreten werden mussten, von der Säuberung der Schläuche, bevor sie auf dem 1904 erbauten eisernen Steigerturm getrocknet werden konnten, von seiner Verantwortung für die Druckluftflaschen.

Und vom Aufbau des Schulungsgebäudes, um das unter Wehrleiter Manfred Richtsteiger lange gekämpft wurde. Nach dreijähriger Bauzeit konnte das Gebäude am 4. Oktober 1984 übergeben werden. Mit Unterstützung von Grünaer Firmen wurde es in Eigenleistung aufgebaut – tatkräftig dabei der gelernte Maurer und Bauleiter Gerhard Traetz, er und Maurer Werner Eger legten ein ordentliches Tempo vor. Endlich gab es Unterkünfte, Waschräume, Toiletten.

„Und endlich gab es Schulungsräume“, weiß Brunhilde Richtsteiger, seit 1960 mit Manfred Richtsteiger verheiratet. „Vorher trafen wir Frauen uns beim oberen Hergert (Gasthof „Zum Hirsch“), die Männer mitunter in der Firma Robert Müller, in der Schule oder beim unteren Hergert („Haus Hamburg“) zu Schulungen. Die Wehrleitung beriet bei uns in der Küche, das war schon belastend, zumal wir zwei Kinder hatten. Protokolle wurden mit Hand geschrieben und zum Rathaus gebracht.“

Frauen in der Feuerwehr – zu DDR-Zeiten keine Seltenheit und mit einem eigenen Aufgabengebiet: dem vorbeugenden Brandschutz. „Wir brauchten nicht mit Geräten umzugehen. Worauf es ankam, wurde uns zu Lehrgängen beigebracht. Erich Loos und dann mein Mann als Wehrleiter haben sehr auf den vorbeugenden Brandschutz in den Betrieben geachtet. Wir Frauen kontrollierten gemeinsam mit einem Vertreter der Gemeinde oder Abgeordneten die Wohnhäuser, besonders die Dachböden und Heizungen. Wir wurden problemlos in die Wohnungen gelassen. Nicht nur zu den jährlich stattfindenden Brandschutzwochen war vorbeugender Brandschutz recht populär.“ Diese Erfahrung hat Frau Richtsteiger gemacht.

In den letzten 20 Jahren hat sich viel verändert, das schätzen die Grünaer. Die Kameraden rücken mit Tanklöschfahrzeugen aus, können durch das mitgeführte Wasser sofort mit der Brandbekämpfung beginnen bevor die Schläuche ausgelegt sind. Die meisten der 15 bis 20 Einsätze pro Jahr sind jedoch Hilfeleistungen bei Verkehrsunfällen (Spreizer und Scheren gehören zur Ausrüstung) oder Beseitigung von Ölspuren, aber auch Tierrettung. Und Keller auspumpen bei Hochwasser oder Wasserrohrbrüchen. Seit 2007 haben sich mit der Übergabe des neuen Feuerwehrhauses mit entsprechend großen Garagen die Bedingungen wesentlich verbessert. Der Ortschaftsrat, die Wehrleitung mit Mathias May als Wehrleiter und Einwohner haben hart um den Erhalt der FFW gekämpft-

Grüna hat eine sehr gute Jugendwehr. Doch die Nachwuchsarbeit ist schwieriger geworden. Der Kontakt zu den Kindern ab 8. Klasse fehlt, seit Grüna keine Mittelschule mehr hat. Viele Jugendliche lernen auswärts, können die Lehrgänge zur Grundausbildung, wie sie heute angeboten werden, nicht besuchen. Doch der Grundgedanke der Feuerwehr, anderen Menschen helfen zu wollen, lebt in den Familien und unter Freunden weiter. Dadurch konnte der Nachwuchs bisher gesichert werden.

Ob aktiver Kamerad oder zur Altersabteilung gehörend, viele freuen sich, wenn zum Feuerwehrball (so hieß es früher), also zum Vergnügen, zur Ausfahrt oder zu Ausflügen eingeladen wird. Die Geselligkeit kam und kommt nie zu kurz, weil dadurch der Zusammenhalt gepflegt und gefördert wird – wichtig für den Einsatz im Ernstfall – und als Dank für die Ehepartner und Familien, die immer Verständnis aufbringen müssen.

„Der Eintritt in die Freiwillige Feuerwehr ist freiwillig, dann kommt die Pflicht“, darauf verweist Hans May zum Abschluss unseres Gesprächs.

Bei den Gesprächspartnern bedanken sich Bernd Hübler und Gerda Schaale.

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