Im Gespräch: Rolf Frenzel

Im Gespräch: Rolf Frenzel

Mit Blick auf die 750 Jahrfeier 2013 beginnen wir in dieser Ausgabe, Menschen in den Mittelpunkt zu stellen, die auf unterschiedlichen Gebieten ein Stück Geschichte unseres Ortes im 20. Jahrhundert erlebt, mit beeinflusst und mit gestaltet haben.

Eines machte Rolf Frenzel beim Gespräch mit Bernd Hübler, Vorsitzender des Heimatvereins, und Gerda Schaale, Redakteurin, von Beginn an deutlich: „Ich erzähle euch vieles, ich übergebe euch Unterlagen. Aber ich will nicht im Mittelpunkt stehen, die Arbeit in Vereinen klappt nur, wenn viele mittun." In den zweieinhalb Stunden hat er uns verblüfft, wie er mit inzwischen 91 Jahren noch viele Details, die Jahrzehnte zurückliegen, erklärt und die handelnden Personen bei Namen und Vornamen nennt. Musikinteressierten Grünaern ist Rolf Frenzel als Chorleiter des Volkschores in Erinnerung geblieben. Davon hat er Unterlagen über das jahrzehntelange Wirken des Chores aufbewahrt und die wichtigsten Dokumente inzwischen dem Stadtarchiv Chemnitz übergeben. (Mehr über den Volkschor lesen Sie auf Seite ..). Sportlich Interessierten ist er als Wanderleiter bekannt. Noch heute halten ehemalige Schüler der Polytechnischen Oberschule Grüna (bis 10. Klasse) Verbindung zu Rolf Frenzel. In vier AG Junge Touristen erlebten sie mit Rolf Frenzel, Alfons Kunze und anderen Wanderfreunden der Sektion Touristik der BSG Motor Grüna die Natur. Mit Forschungsaufträgen entwickelten sie Exponate für die Messe der Meister von morgen. „Das Schönste in meiner Kindheit und auch später war das Erleben der Natur", begeistert er sich heute noch. Wenn im Jahr 1988 über 1000 Wanderfreunde aus der Umgebung aber auch aus Bautzen, Berlin, Erfurt, Oberwiesenthal und sogar aus Rostock zum Grünaer Wandertreff anreisten, war das zweifellos auch ein Verdienst von ihm, da er viele Jahre immer gemeinsam mit anderen Wanderfreunden die Strecken austüftelte, die Strecken markierte, Verpflegungsplätze einrichtete ... Er ist stolz darauf, dass sie gemeinsam so vielen Wanderfreunden unsere Heimat nahebringen konnten. Die Liebe zu den schönen Dingen ist Rolf sozusagen in die Wiege gelegt worden. Sein Großvater hatte an der Kunstakademie in München studiert. Ältere Grünaer werden sich noch an die Bälle im Hotel Clauß und an die Deckenmalerei im Saal erinnern - diese stammt von Paul Frenzel. Rolfs Vater war Sänger im Volkschor Grüna, kein Wunder, dass Rolf alsbald zum Kinderchor des Volkschores gehörte. Noch etwas war ganz wichtig für seine Entwicklung: Er stammt aus einer sozialdemokratischen Familie, besuchte in Grüna die weltliche Schule. Schläge mit dem Rohrstock? - nicht bei diesen Lehrern. „Mobbing" (würde man heute sagen) der Schwächsten? - im Gegenteil, ihnen galt die besondere Hilfe der Stärkeren. Bei der Kinderorganisation der SPD und den Roten Jungpionieren fühlte er sich wohl. Hier konnte er die ärmlichen Verhältnisse zu Hause zeitweilig vergessen, denn sein Vater war acht Jahre arbeitslos. Dazu die Gemeinschaft im Kinderchor des Volkschores Grüna, der ab 1929 von Paul Kurzbach, mit 26 Jahren selbst noch jung für diese Aufgabe, geleitet wird. Solche Erlebnisse prägen schon früh den Charakter. Rolf freute sich auf seine Jugendweihe, denn diese wurde immer von den Sängerinnen und Sängern des Volkschores umrahmt. Doch es kam anders. Als 1933 die Nazis an der Macht sind, wird die weltliche Schule aufgelöst, die geliebten Lehrer werden verhaftet. Nach der 8. Klasse erhält er keine Lehrstelle, sein Vater gehörte der „falschen" (inzwischen verbotenen) Partei an. Es klappt mit einer Friseurausbildung im Vogtland. An der Gewerbeschule gibt es nur zwei Lehrlinge, die nicht in der Hitlerjugend sind. Anstatt Sportausbildung im Freien müssen sie zum „Strafexerzieren" in die Halle. Rolfs Hass auf die Nazis wächst. Unter diesen Bedingungen holt ihn sein Vater zurück und versorgt ihm eine Arbeit (aber keine Ausbildung) in den Wandererwerken, so er selbst arbeitet. 1938 wird Rolf Frenzel zum Bau des Westwalls verpflichtet. Im Oktober 1940 - wenige Tage vor der Geburt seines Sohnes - kommt der Befehl zum Kriegsdienst, zuerst zum Küstenschutz in Belgien, dann folgen Polen und die Ostfront. Nach einer Verwundung im Genesungsurlaub kann er seinen Sohn zum ersten Mal sehen und (er ist jetzt im „heiratsfähigen Alter" von 21 Jahren) seine Hanni heiraten. Auf dem Rückzug vor der Front (Flucht) erlebt er mit seinen Weggefährten die Hilfe von Bauern in Österreich. Das Kriegsende überlebt er dort in einem Bunker, von Einheimischen heimlich mit Lebensmitteln versorgt. Er ist sicher, dass es eine Verständigung zwischen den Menschen verschiedener Länder möglich wird, wenn erst Frieden ist. Nach dem Krieg wurde die Wismut „meine Bildungsstätte", wie Rolf Frenzel seinen Start in eine neue Gesellschaft bezeichnet. Zuerst beim Hausbau für Wismutkumpel in Schlema eingesetzt, wählen ihn, den Jüngsten, seine Kollegen als Vertrauensmann der Gewerkschaft. Er besucht Lehrgänge, lernt das Reden. Die Ausbildung des Nachwuchses und von Fachleuten lag ihm besonders am Herzen. Die Erziehung in der Kindheit, aber auch seine Erlebnisse im faschistischen Krieg haben sein Leben geprägt: Für Frieden, Freundschaft und Verständigung, für die Rechte der Menschen, für gleiche Bildungs- und Berufschancen eintreten, war stets sein Anliegen. Dafür setzte er sich in seiner beruflichen und politischen Arbeit bei der Wismut unter und über Tage ein. Das galt für ihn auch als Chorleiter des Volkschores Grüna an der Seite von Paul Kurzbach, mit dem ihn eine jahrzehntelange Freundschaft verband. Die Liebe zur Heimat, zur Schönheit der Natur und damit deren Erhaltung, war bestimmend für sein Wirken als Wanderleiter. Auch wenn Rolf Frenzel aus gesundheitlichen Gründen die Wohnung nicht mehr allein verlassen kann, ist er nicht deprimiert. Seine Erlebnisse und Erfahrungen kann ihm niemand nehmen. Und er kann stolz darauf sein, dass er in seinem Heimatort auf kulturellem und sportlichem Gebiet vieles hat bewegen können, was das Leben der Menschen seiner und der jüngeren Generationen bereichert hat.

(In einer späteren Ausgabe werden wir uns nochmals dem Wanderverein, dessen Wurzeln ebenfalls vor 1900 nachgewiesen sind, zuwenden.)

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