Langjähriger Familienbetrieb: Der Pester-Friseur

Langjährige Familienbetriebe in unseren Ortsteilen

Der Pester-Friseur

auch wenn es eigentlich „Die Pester-Friseurin“ heißen müsste, oder wohl eher Frisörin, oder Friseuse? Es ist nicht einfach mit der neuen deutschen Rechtschreibung und ihren Fremdworten - und mit dem Gendern gleich gar nicht. Es sollte beim Namen Friseur bleiben, obwohl bei Pesters ausschließlich Frauen beschäftigt sind.

Also wir, Bernd Hübler und Ulrich Semmler, hatten uns Mitte Januar bei der Chefin Silke Pester angemeldet. Und der Seniorchef, Egon Pester, war auch dabei. Die Zeiten, als Bernd Hübler noch als Lehrer der Pester-Töchter tätig war und Egon Pester als Vater mit auf Klassenfahrten unterwegs war, waren Thema und brachten viele lustige Erinnerungen zutage. Aber es ging ja in erster Linie um das Grünaer Friseurgeschäft.

In der Hand der Familie Pester ist das Geschäft seit 1959. Gegründet wurde es aber schon 1922 von einem Herrn Huth als Barbierstube. Und weil es florierte, wurde es später um eine Friseurstube für Damen erweitert. Das war noch im Nachbargebäude Chemnitzer Str. 38. In den 1940er Jahren betrieb dann Paul Richter einen gutgehenden Damen- und Herren-Friseur in dem jetzigen Haus Chemnitzer Str. 36. Und dieses Geschäft wurde dann, wie erwähnt, 1959 von den Eheleuten Margot und Egon Pester, beide Friseurmeister, übernommen. Das Bild zeigt die 2008 von der Handwerkskammer Chemnitz ausgestellte Urkunde zum Goldenen Meisterjubiläum.

1997, nach 38 Jahren als Chef und mit dem Eintritt in die Rente, hat Egon Pester das Geschäft an seine Töchter Silke und Jeannette übergeben. Silke ist Friseurmeisterin, Jeannette (verh. Haase) Kosmetikmeisterin das gemeinsame Geschäft nennt sich deshalb Friseur & Kosmetik Pester. Der Seniorchef hat aber weiterhin im Geschäft mitgearbeitet, z.B. die „Haare zusammengekehrt“, wie er aus Spaß sagte (was wir aber nicht recht glauben, er hat sich bestimmt auch in die Frisuren eingemischt). Auch Margot Pester, ebenfalls Friseurmeisterin, hat weiter mitgearbeitet. Sie ist leider vor 5 Jahren verstorben.

Aber noch einmal zurück in die Zeit, als Friseurmeister Egon Pester das Geschäft führte. Sein Kundenstamm ist ihm immer durch sein fachliches Können und seine Verbundenheit mit Grüna und Umgebung treu geblieben. „Von der Putzfrau bis zum Direktor“ umschreibt er seine Kundschaft. Gutes Geld hat er durch seine Lage gegenüber des SDAG-Wismut-Komplexes verdient. Und die Mitarbeiter von dort kamen nicht nur während der Mittagspause im Betrieb oder nach Dienstschluss zum Friseur … Wie das halt zu DDR-Zeiten so war, privat hatte Vorrang vor dienstlich.

Reich werden konnte man aber als Friseur damals nicht. Die Preise für alle Frisuren waren staatlich festgelegt. Eine einfache Herrenfrisur kostete z.B. 90 Pfennig, per Antrag beim Rat des Kreises und auch nur, wenn man eine besondere Lage nachwies, konnte der Preis auf 1 Mark erhöht werden. Deshalb war Egon über ein zweites, ganz gut honoriertes Standbein sehr froh: als Friseur in der Maskenbildnerei der Städtischen Theater Karl-Marx-Stadt. Und dass man ihm diese Aufgabe angeboten hatte, hatte sicher etwas mit Egons Fachkompetenz zu tun. Die nachfolgenden Bilder zeigen den Meister bei der Arbeit und 2 seiner Kreationen.

  

Schließlich, das soll nicht unerwähnt bleiben, war Egon Pester Obermeister der Berufsgruppe Friseure in der Friseur- und Kosmetikinnung des Kreises und ist noch heute deren Ehrenmitglied. Heute ist Tochter Silke Vorstandsmitglied der Friseurinnung.

Die Wendezeit ab 1989 war, wie bei den meisten Handwerksbetrieben hierzulande, ein harter Prüfstein für das Geschäft. Unter nunmehr marktwirtschaftlichen Preisen konnten sich viele einen häufigen Gang zum Friseur nicht mehr leisten, obwohl die Preise bei Pesters noch recht kundenfreundlich waren. Hinzu kam die Auflösung des Grünaer Wismut-Betriebs, womit viele Kunden wegfielen.

Vor der Wende hatte der Salon bis zu 10 Mitarbeiter, heute sind es noch 5. Die Zukunft der Firma Friseur & Kosmetik Pester steht aber als alteingesessener Handwerksbetrieb auf soliden Füßen. Mit dazu beigetragen hat, dass immer auch Nachwuchs ausgebildet wurde: Insgesamt zählen sie 21 Lehrlinge. 9 davon haben auch die Ausbildung zum Meister abgeschlossen und führen meist Friseursalons in Grüna und Umgebung. Tochter Silke gehört dazu. Sie hat 1993 ihre Lehre abgeschlossen und 1995 den Meisterbrief erworben. Dass man heute nur sehr schwer geeignete Interessenten für eine Lehre findet, weiß jeder Handwerker. Und das ist bei den Friseuren nicht anders.

Im Oktober 2021 war das Geschäft durch eine Renovierung und Modernisierung geschlossen. Dass die Schließung nur kurzzeitig erfolgte, ist den Firmen Olymp Friseureinrichtungen, Fliesengeschäft Sven Schrepel, Klempnerei Andreas Gruner, WAC Service GmbH, Selbmann Maler GmbH, Elektro Wolf und Trockenbau Kay Duderstadt, die zügig und Hand in Hand arbeiteten, zu verdanken.

Die nachfolgenden beiden Bilder zeigen Egon Pester in den alten Geschäftsräumen und einen Blick in den neuen, modern gestalteten Raum.

 

Die Werkzeuge und Arbeitsmethoden im Friseurhandwerk haben sich in den Jahren stark verändert. Es ist schon einige Jahre her, dass solche Werkzeuge zum Lockendrehen zum Einsatz kamen. Und auch das Firmenschild über dem Eingang des Salons ist aus früheren Zeiten. Manch einer wird sich darüber wundern, dass dort nicht Schere und Kamm hängen, was eigentlich typisch für ein Friseurgeschäft wäre, sondern eine Schale. Diese Schale weist als Zunftzeichen der Friseure darauf hin, dass ihre Sparte als Zunft der Bader und Barbiere entstanden ist, das Baden also damals zum Geschäft gehörte (und jetzt ist es das wohltuende Waschen der Haare und Massieren der Kopfhaut).

 

Wir bedanken uns bei Silke und Egon Pester für den Einblick in die Firmengeschichte eines 100jährigen Barbiergeschäftes in Grüna, das seit über 60 Jahren in 2. Generation in den Händen der Familie Pester ist. Die Töchter von Silke Pester haben sich anders orientiert, so dass vielleicht im Geschäft keine 3. Generation in der Familie geben wird. Aber bis dahin ist noch viel Zeit. Wer weiß was kommt, bis Silke einmal ihr Geschäft übergeben muss? Vielleicht gibt es dann Enkelinnen oder Enkel, die interessiert wären? Und Bestand haben wird das Friseurhandwerk und damit das Geschäft wohl auch noch in Zukunft. Haare werden immer wachsen, schicke Köpfe werden immer gewünscht und Computer und Roboter werden wohl kaum das Frisieren übernehmen können.

Bernd Hübler und Ulrich Semmler

Dieser Artikel stammt aus dem Ortschaftsanzeiger Grüna / Mittelbach Februar 2022

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