2019 - Das Jahr mit den Störchen

Das Jahr mit den Störchen

Zu den beliebtesten Grünaer Einwohnern durfte sich im vergangenen Jahr zweifellos das Weißstorchenbrutpaar an der Chemnitzer Straße zählen. Im dritten Jahr infolge wurde der Horst bewohnt, erweitert, und nun gab es sogar einen Bruterfolg mit drei flügge gewordenen Jungen zu verzeichnen.


Foto: privat (Bild 1)

Viel Anteil seitens der Grünaer wurde daran genommen, der Ortschaftsrat und der Heimatverein mit Fragen und Sorgen um den Verbleib der Vögel und dem Wunsch nach mehr Informationen überhäuft. Daraus ergeben hat sich eine kleine Gruppe interessierter Bürger, die sich fortan gemeinsam um das Wohl der Tiere und alle damit verbundenen Aufgaben kümmern werden. Zu diesem Zwecke lud man sich Ornithologen und Vertreter der Unteren Naturschutzbehörde (UNB) Chemnitz ein und traf sich im Rathaus, um sich zu informieren und sinnvolle Maßnahmen zu erörtern:

● Ein zweiter Horst, den einige sich in Sorge um den Verbleib der Jungen gewünscht hatten, wird prophylaktisch nicht errichtet, da unsere Gegend zwei erfolgreiche Brutpaare in nächster Nähe nicht vertragen würde (s. weiter unten)

● Priorität soll indessen dem Erhalt und der Pflege der vorhandenen Nahrungsgebiete eingeräumt werden, denn Störche brauchen kurzrasige Grünlandflächen, die giftfrei bewirtschaftet werden, zur Futtersuche. Ihnen kommen also eine frühe Mahd bzw. regelmäßige Beweidung durch Nutztiere zugute. Für die Schaffung solcher Flächen gibt es auch Fördermittel für Landwirte, die geeignete Abschnitte zur Verfügung stellen. Ebenso soll das Augenmerk auf die Sanierung und den Erhalt von Teichen gerichtet werden.

● Außerdem sollen die Horstpflege und Beringung eventuellen Nachwuchses sowie die ehrenamtliche Horstbetreuung gesichert werden. Was an Pflegemaßnahmen am Horst notwendig wird, wie etwa Beseitigung von Plastikmüll oder verfestigtem Gras, lässt sich im Zuge der Beringung feststellen und wenn nötig erledigen. Ansonsten sind derzeit keine Maßnahmen erforderlich, es sei denn, es droht ein Absturz durch Sturm oder einseitigen Ausbau.

● Bei Bedarf wird es Unterstützung für Frau Rößler geben, auf deren Grundstück sich die Vögel niedergelassen haben, etwa wenn einmal Reinigungsarbeiten o.ä. durchzuführen sind.

● Wenn möglich, sollen an den Ortseingängen Schilder aufgestellt werden, die vor den manchmal im Tiefflug über die Chemnitzer Straße fliegenden Störchen warnen sollen. Gleichzeitig wird versucht, einen günstiger gelegenen Ort zum Sammeln von Nestbaumaterial als den gegenüberliegenden Kirchgarten anzubieten, um diese Gefahr von vornherein zu minimieren.


Foto: Peter Zschage (Bild 2)

● Es wird das Anbringen einer Webcam in Erwägung gezogen, welche aktuelle Bilder vom Geschehen im Nest liefern soll.

● Im Laufe der Zeit werden Instandsetzungs- oder Sicherungsmaßnahmen erforderlich werden, um die sich ebenfalls durch die Gruppe gekümmert wird.

● Natürlich erfordern all die genannten Maßnahmen auch finanzielle Mittel zur Umsetzung. Zu diesem Zweck werden Spenden gesammelt. Der Heimatverein wird nach Ankunft der Störche wieder seine Sammelbüchsen in den Grünaer Geschäften aufstellen. Wir bitten alle Storchenfreunde, die am Erhalt unseres Brutstandortes interessiert sind und zur Sicherung des Fortbestandes der Storchenpopulation beitragen möchten, diese rege zu befüllen. Gespendet werden kann auch auf das Konto des Heimatvereins Grüna unter dem Stichwort „Störche“:

Heimatverein Grüna e.V.

Sparkasse Chemnitz

IBAN: DE09 8705 0000 3586 0052 87

BIC: CHEKDE81XXX

Die gewünschten allgemeinen Informationen gibt es jetzt:

Das Grünaer Brutpaar ist nach den Wittgensdorfern das 2. in Chemnitz. Außerdem gibt es seit 2015 eines in Leukersdorf und seit vorigem Jahr auch ein Paar in Neukirchen. Das ist schon eine sehr gute Besiedlung der Gegend in relativ geringem Abstand.

Anfang April 2019 kam Papa Storch zum Horst in Grüna zurück, um ihn für dieses Jahr wieder zu besetzen und weiter daran zu bauen. Am 16.4. folgte eine Störchin. Sie war beringt, was darauf schließen lässt, dass es sich dabei nicht um denselben Vogel handelt, der schon 2017 einmal hier war, denn damals trug „sie“ keinen Ring. Im Gegensatz zur landläufigen Meinung von lebenslanger Storchenehe sind Störche nämlich nicht unbedingt partner-, sehr wohl aber horsttreu, zumindest, wenn sie sich einmal gefestigt haben. Was bei den ersten Bruten noch nicht unbedingt der Fall sein muss. Horsttreu bedeutet nichts anderes, als dass sich beide Partner in der Regel im Frühjahr wieder zu demselben Nest aufmachen, welches sie schon im Vorjahr bewohnt haben. Wo sich die beiden dann mitunter wieder treffen und das gleiche Paar wieder gemeinsam brütet. Manchmal ist aber auch ein(e) andere(r) schneller und dann gibt es halt ein neues Pärchen. Es geht den Störchen wie den ..…


Foto: KR (Bild3)

Aber bevor wir zu weit abweichen: Eifrig wurde also am Nest gewerkelt, und wenig später konnten die beiden bei der Paarung beobachtet werden, was Hoffnungen auf Nachwuchs schürte. Kurz darauf begann die Brut und tatsächlich wurden am 1. Juni die ersten beiden Küken im Nest entdeckt! Ihnen folgte wenig später ein Geschwisterchen.


Foto: KR (Bild 4)

Für die Eltern begann eine aufopferungsvolle Zeit, braucht doch so ein Jungstorch kurzzeitig für eine gute Entwicklung bis zu 1.200 Gramm Nahrung pro Tag. Das mal drei genommen und hinzugerechnet, dass ein Altvogel auch noch einmal etwa 500 bis 700 Gramm Nahrung täglich benötigt, lässt den Bedarf an Lurchen, Fischen, Regenwürmern, Heuschrecken, kleinen Säugern wie Mäusen und Maulwürfen schnell auf 5 kg Tagesgesamtmenge hochschnellen. Bildlich gesehen wäre das täglich ein 5l-Wassereimer voller Kleintiere, der verputzt wird. Störche müssen daher in direkter Umgebung des Nestes, d.h. im Umkreis von 2 bis 3 km Entfernung, ausreichend Nahrung finden. In ungünstigeren Gebieten werden auch größere Entfernungen in Kauf genommen, was dann im schlechtesten Fall aber auch einen geringeren Bruterfolg zur Folge haben kann. Dies erklärt auch, warum die UNB die prophylaktische künstliche Errichtung eines zweiten Horstes in Grüna nicht befürwortet und auch nicht unterstützt, da es in der Umgebung einfach keine Nahrungsgrundlage für zwei erfolgreiche Brutpaare geben würde. Hinzu kommt, dass es zwischen den so friedlich anmutenden Vögeln zu erbitterten Kämpfen kommen kann, was bis zur gegenseitigen Tötung der Jungen im Horst gehen kann, vor allem wenn Nahrung knapp ist. Sollte sich jedoch ein zweites Paar von selbst in der Gegend ansiedeln, so wird dies selbstverständlich als Wille der Natur toleriert. Wird festgestellt, dass ein zweites Storchenpaar über längere Zeit in der Gegend bleibt und einen bestimmten Standort anvisiert, kann, wenn nötig, immer noch eine Horstunterlage geschaffen werden. Hinweise über solche Beobachtungen wären dabei natürlich hilfreich. Zu Kämpfen, auch um den vorhandenen Horst, kann es allerdings immer kommen, wenn weitere Störche die Gegend inspizieren, aber es sollte wenigstens nicht noch von Menschenhand befördert werden. Die Jungvögel werden ohnehin frühestens 2021 wieder zu uns zurückkehren, da Weißstörche gewöhnlich ihr erstes Lebensjahr im Winterquartier verbringen. Und auch dann suchen sie sich eher eigene Brutgegenden, anstatt in die Nähe ihres Geburtsortes zurückzukommen. Die Wahrscheinlichkeit, unsere Jungen wieder hier zu sehen, ist also eher gering.

Wo aber nun kommen sie her, „unsere Störche“? Laut Aussagen von Herrn Schaarschmidt, der die drei Jungen im Nest beringt hat, stammten die Störche in Sachsen viele Jahrzehnte aus Brutgebieten in Polen und Brandenburg. Momentan findet allerdings eine Verschiebung der Populationen in Richtung Osten statt. Grund dafür ist eine starke positive Entwicklung der westziehenden Störche. Die „neue“ Störchin wurde 2013 im Kreis Gifhorn bei Braunschweig erbrütet und ist sehr wahrscheinlich eine sogenannte Westzieherin. Einen Sommer war sie in Brandenburg ansässig, 2017 wurde sie dann verpaart in Nordsachsen beobachtet. Hoffen wir, dass sie nun ihre Heimat in Grüna gefunden hat.

Bei Weißstörchen unterscheidet man bezüglich des Zugverhaltens die Westzieher von den Ostziehern. Durch Deutschland zieht sich eine sogenannte Zugscheide, die von den Niederlanden kommend Richtung Harz und dann nach Süden zu den Alpen verläuft. Allerdings stellt sie keine scharfe Trennlinie dar. Beiderseits dieser Linie erstreckt sich ein Zugscheidenmischgebiet, in welchem beide Zugrichtungen zu Hause sein können. Westlich dieser Linie brütende Störche zählen zu den Westziehern, d.h. sie fliegen über Spanien, Gibraltar und die Sahara, um in der westafrikanischen Sahelzone zwischen Senegal und Tschad den Winter zu verbringen. Die anderen, also wohl auch die Grünaer Jungvögel, fliegen auf der Ostroute über die Ägäis und die Sinai Halbinsel nach Ostafrika oder bis hinab nach Südafrika. Der Grund für diese Flugrouten liegt im Flugverhalten des Weißstorchs. Da er sich hauptsächlich von der Thermik tragen lässt, kann er keine großen Entfernungen über Wasserflächen zurücklegen, und muss daher das Mittelmeer umfliegen oder es an Meerengen wie Gibraltar überqueren.

Ab Ende Juli konnte man unseren Nachwuchs bei seinen ersten Flugübungen beobachten, bevor er sich Ende August auf seinen Weg in den Süden machte.


Foto: privat (Bild 5)


Foto: privat (Bild 6)

Vielleicht haben wir einmal Glück, und es erreichen uns Meldungen über Sichtungen der beringten Jungvögel. Welches Geschlecht die drei haben, kann man übrigens leider nicht sagen, da sich dieses beim Weißstorch aufgrund der äußerlichen Merkmale nicht feststellen lässt. Zwar sind die Männchen im Schnitt größer und auch die Schnäbel länger, aber es gibt wie bei den Menschen eine große Variabilität und damit ist die Bestimmung darüber immer mit einer hohen Fehlerquote behaftet. Spätere Beobachtungen könnten aber auch darüber einmal Aufschluss geben.

Hoffen wir nun zunächst, dass uns die Adebare auch 2020 wieder beehren, und wünschen wir ihnen eine ebenso erfolgreiche Brut wie 2019, denn der Bestand gilt nach wie vor als gefährdet und bedarf deshalb dringend unser aller Zutun zum Erhalt der Art.


Foto: Peter Zschage (Bild 7)

Sollten sich einmal schnelle Hilfsmaßnahmen aufgrund des Auffindens verletzter Tiere erforderlich machen, so kann man unter der Nummer 0371 / 4883602 oder 0371 / 4883667 die Untere Naturschutzbehörde erreichen, die sich auskennen und schnellstmöglich Hilfe einleiten werden. Sollte dort niemand erreichbar sein, kann im Notfall auch Herr Schaarschmidt unter 0162/9602130 kontaktiert werden.

Vorgesehen ist, künftig einmal jährlich einen Bericht wie diesen über das vergangene Storchenjahr im Ortschaftsanzeiger zu veröffentlichen und jeweils das aktuellste Geschehen in Kurzform in jeder Ausgabe.


Foto: Peter Zschage (Bild 8)


Ortschaftsrat und Heimatverein Grüna

Autor: Carola Hilkman

Quellen: NABU Steckbrief Weißstorch; Michael-Otto-Institut; Kai Schaarschmidt (Storchenbetreuer)

Dieser Artikel stammt aus dem Ortschaftsanzeiger Grüna / Mittelbach Februar 2020

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